VfL Bochum – Teutonia Riemke 3 26:25 (10:14)
Für Fixe: Der VfL müht sich im Derby gegen spielerisch starke Teutonen aus Riemke und läuft lange einem Rückstand hinterher, gewinnt aber durch den umjubelten Siegtreffer in letzter Sekunde.
Der November ist ins Land gekommen und mit Nieselregen, Kälte und allgemeiner Miesepetrigkeit ist auch die Stimmung bei den Harzpillenenthusiasten des VfL Bochum gelinde gesagt ausbaufähig. Eine vermeidbare Niederlage in der Heimfestung Lohring vor zwei Wochen, dann eine Absage des Auswärtsspiels in Ickern – also nicht mal die Möglichkeit, die Schwarte kurzfristig wieder auszumerzen. Diese Gelegenheit ergab sich erst am vergangenen Sonntag, an dem sich der Tross des Gastes aus Riemke und die Wagen des VfL gen Wattenscheid aufmachten, um in der Halle an der Berliner Straße die Klingen zu kreuzen. Die Mannen von Teutonia und die Mannschaft von Trainer Stroop hatten in den vergangenen Jahren so einige knappe und zum Fingernagelkauen spannende Duelle ausgefochten, in der Vorsaison hatte die Truppe in den richtigen Farben beide Spiele für sich entscheiden können. Aus der Erfahrung der Vorsaisons würde Riemke einen spielstarken und ballsicheren Handball spielen, der aus gut einstudierten Auftakthandlungen entweder treffsichere Rückraumspieler in Schusspositionen bringen oder den Kreisläufer suchen will. Dagegenhalten konnte Bochum immerhin mit einer vollen Bank. Aus dem großen Kreis der Versehrten, Verschollenen und allgemein etwas Verklatschten hatte sich mit Zaubermaus Alex Cousen, Zauberfranke Jonas Knaust und dem mit seinen Kreisläuferpranken Bälle geradezu magisch anziehenden Niklas Willrodt halber Jahrgang aus Hogwarts zurückgemeldet – Personal und Power, die auf der Platte dringend benötigt werden. Auch wenn inzwischen jeder VfLer den Matchplan mitsprechen kann, war auch in diesem Spiel gegen sieben Feldspieler auf dem gegnerischen Spielberichtsbogen Tempo das A&O.
In das Heimspiel in der Auswärtshalle gegen die Bochumer Jungen aus dem Bochumer Norden startet Bochum, also das Blau – Weiße, konzentriert und mit einer beweglichen Deckung. Die ersten guten Aktionen gelingen hinten, über 2:0 und 4:2 hindert nur die wieder ausbaufähige Chancenvergabe den VfL daran, sich für starke zehn Minuten zu belohnen und stärker abzusetzen. Über 6:5 und 7:7 kommt Teutonia wieder heran, gerade die Steckpässe zum Kreis treffen die eigentlich stark arbeitende blaue Wand immer wieder ins Mark. Die Frustration in der Deckung übertragt sich auch auf den Angriff, die Mannschaft von Trainer Stroop verzettelt sich immer wieder in Einzelaktionen, statt im Spielfluss die Abwehr in Bewegung zu bringen. Über 8:10 kann sich Riemke so auf 10:14 absetzen, ein verworfener Siebenmeter mit dem Pausenpfiff weckt düstere Erinnerungen an das Spiel gegen Hattingen.
Die Pause kommt für das Heimteam genau zur richtigen Zeit. Handballerisch gibt es wenig zu verbessern, die Bälle müssen einfach nur ins Tor. Dazu fehlt die Intensität, richtige Derbystimmung und die notwendige Härte sind noch nicht da. Das wird zur zweiten Halbzeit besser werden, beschwört der Knorrwart die bärbeißige Bande Bochumer Buben.
Zur zweiten Halbzeit packt die Stroop-Sieben auch deutlicher zu, kann hinten durch Paraden des den erkrankten Fabi Gohl vertretenden Daniel Lipovetski Ball um Ball gewinnen und sich Tor um Tor heranrobben. Immer, wenn der langsam vor sich hinsiechende Kadaver des VfL sich aber in Schlagdistanz wähnt, schlägt der Fehlerteufel erbarmungslos zu. Einfache Gegenstöße werden vergeben, hinten schlägt der Ball trotz aller Mühen im Tor ein und Bochum, das beim 17:18 und 18:19 das Momentum auf seiner Seite hatte, gerät Hütte um Hütte ins Hintertreffen. Beim 21:24 durch eines der vier Tore von Alex Cousen sind keine fünf Minuten mehr zu spielen, Riemke zieht die Auszeit, ein letztes Durchatmen vor der absoluten Crunchtime. Was der Gast in Grün allerdings nicht weiß, ist, dass Trainer David Stroop in seiner im Ostwestfalener Nebel versunkenen Vergangenheit den Mooren und Weilern im Niedersachsener Binnengebiet so manches arkane Geheimnis entrissen hat. Druide Stroopolix nutzt die Auszeit, um aus einem vor Selbstbewusstsein triefenden Haar von Zeitnehmer Rob Fischer, einem destillierten Tropfen Fiege Pils und einem seit Jahren köchelnden Sud aus den Schonern von Capitano Jannik Kocian einen Zaubertrank zu brauen, gegen den das Gepansche von C-Promi-Druide und Quacksalber Miraculix gnadenlos abstinkt. Auf dem Feld stellt der VfL die beiden Aktivposten im Riemker Spiel jetzt mit einer 4-2-Deckung zu und auch wenn der Rechtsaußen den inzwischen wieder im Tor weilenden Knorrwart noch einmal bezwingt, sind drei Minuten und vier Sekunde mehr als genug Zeit, um ein Handballspiel noch zu drehen. Den Paukenschlag zum Auftakt hämmert Max Birkemeier aus sehr geringem Winkel unter gütiger Mithilfe des Innenpfostens ins Tor, dann verwandelt Niklas Willrodt ein starkes Rückraumanspiel, bevor Moritz Galbas im Gegenstoß das 24:25 markiert. 64 Sekunden gespielt, drei Buden gemacht. Den konditionell ihrer dünnen Personaldecke Tribut zollenden Gästen fällt im Angriff nicht mehr viel ein, ein weiterer schwacher Abschluss ist keine Herausforderung für den Bochumer Schnapper und mit einer Minute auf der Uhr schlängelt Jonas Knaust sich erst grazil durch eine kleine Lücke zwischen Halb und Außen und murmelt die Murmel dann an der Murmel des starken Riemker Rückhalts vorbei in die Maschen. Ausgleich, der erste seit dem 8:8 in der 22. Minute. Teutonia sucht die Entscheidung, der heute oft gut funktionierende Pass an den Kreis geht fehl und weil der Kreisläufer der Gäste die in Wattenscheid harzfreie Pille partout nicht hergeben will und Kapitän Jannik Kocian die Schiedsrichter, die Zuschauer und allgemein jeden etwas zu vehement auf dieses himmelschreiende Unrecht hinweist, gibt es für den letzten Angriff genug Platz. Ein letztes Timeout, ein letzter Tropfen Stroopolix’scher Zaubertrank für den Kopf, dann geht’s in das Herzschlagfinale. Einmal ordentlich mit Druck angestoßen, der Ball geht von Jonas butterweich in die wartenden Hände von Lars Sikorski und Sekundenbruchteile vor der Schlusssirene wackelt das Riemker Netz ein letztes Mal.
Der Jubel auf Seiten des VfL ist groß, Bochum zieht sich gerade so aus dem mit eigenem Unvermögen gebuddelten Loch. Was – außer der Freude und der wenig überraschenden Erkenntnis, dass die Moral intakt ist – lässt sich aus so einem Spiel mitnehmen? Am ehesten wahrscheinlich noch, dass auch in knappen Spielen mit schwächeren Phasen die Recken im blauen Zwirn ihr eigenes Spiel im Fokus behalten müssen, sich auf die eigenen Stärken besinnen und konsequent simplen Handball als Mannschaft anbieten. Nach dem Abpfiff findet sich die Luft, die dem stark spielenden Gast aus Riemke am Ende ausging, wie durch ein Wunder in eine Glasflasche gezwängt in der Bochumer Kabine. Diese Motivation und Euphorie gilt es für den VfL mitzunehmen, denn am nächsten Samstag geht es im 318er-Derby nach Linden, wo mit Linden-Dahlhausen Zwei die nächste Wundertüte wartet.
Den Spruch des Tages liefert der selten stille Knorrwart in der Pause, mehr Derbystimmung beschwörend: Jetzt ist Schluss mit Kuscheln, jetzt packen wir richtig an.
Entsprechend wurde auch in Wattenscheid das Feld bestellt, Geackert, gekämpft, gegault. In diesem Sinne malocht sich ein Spieler oben auf die Schriftrolle des Kapitäns Rückkehrer Niklas Willrodt, hinten als Fels in der Brandung und vorne als eiskalter Vollstrecker, trägt maßgeblich zum Sieg bei und ist Spieler des Spiels.
Im Herzschlagfinale ihr blau-weißes Siegergen entdeckt haben: David Knorr (TW), Daniel Lipovetski (TW), Max Birkemeier (2), Patrick Heyer (2), Moritz Galbas (2), Alex Cousen (4), Lars Sikorski (1), Mark Stinn (1), Roman Saure (4), Jonas Knaus (3), Matthias Plewnia, Jannik Kocian (3), Niklas Willrodt (4).