HSG Hattingen-Sprockhövel 4 – VfL Bochum 30:32 (19:18)
Für Fixe: Fehlerbehaftet und schwerfällig gestartet, durch Biss und Moral am Ende gewonnen – der VfL gewinnt das zweite Auswärtsspiel in Folge nicht durch spielerische Klasse, sondern durch kämpferische Tugenden.
„Siege sind kein Glück, sondern sie machen glücklich. Das Glück is mit die Doofen und wenn die Doofen unsere Doofen sind, dann war es kein Glück, sondern die bessere Spielanlage.“ Dieses Zitat von Schriftsteller Frank Goosen bezieht sich eigentlich auf jene Teile des VfL Bochum, die auf einem grünen Rasen mit dem falschen Körperteil eine sonderbar harzfreie und deutlich zu große Pille traktieren, lässt sich aber auch auf die Hallensportbewegungslegastheniker unter der Regie von Trainer Stroop anwenden. Wer die Spiele des VfL in Bommern, gegen Beckhausen oder gegen Riemke gesehen hat, kann an dieser Stelle getrost zum Fazit springen, bahnbrechende Neuerungen zeigt Bochum am vergangenen Wochenende keine. Dafür aber Moral und Kampfgeist, die in dieser Saison schon häufiger die großen Stärken der Bochumer waren. Das Hinspiel im Lohring hatte der VfL in den Katastrophenwochen zu Saisonbeginn noch im Angriff weggeworfen, im Rückspiel stand also Wiedergutmachung auf dem Plan. Personell kehrte mit Niklas Willrodt ein Langzeitverletzter aus dem Lazarett zurück, mit Jonas Knaust, Leo Hardam und Roman Saure fehlte dem VfL aber Tempo im Umschaltspiel und im Rückraum. Trotz der Ausfälle war die Marschroute klar – konditionelle Vorteile im Vorwärtsgang konsequent ausspielen und in der Deckung wieder mehr in den „Blaue – Wand – Modus“ kommen. Hinter der blauen Wand ersetzte A-Jugend-Torwart Lars Wegge in seinem ersten Einsatz für die Herren Gohli Fabi. Auf der anderen Seite präsentiert sich bei den Gastgebern die erwartete Wundertüte – vierte Mannschaft, Altinternationale, ihr kennt den Driss ja.
Von Anpfiff weg zeigt Bochum direkt seine Qualitäten – also nicht die handballerischen. Sich so zielsicher dem Spiel des Gegners anzupassen, ist aber doch eine Kunst für sich. Zu Beginn des Spiels kann der VfL zwar mit 2:3 und 3:4 in Führung gehen, erzielt seine Tore aber meist durch die Wucht aus dem Rückraum oder Einzelleistungen. Nach 11 Minuten hat der Gastgeber das Spiel gedreht, geht mit 9:6 in Führung. Die weiße Wand der Stroop-Sieben ist löchrig, wenig Bewegung lässt den gegnerischen Außen zu viel Platz und auch die ersten Paraden des Bochumer Schnappers entpuppen sich als Strohfeuer. Über 11:8 und 12:9 bleibt der Abstand konstant, bis der Knorrwart zwischen den Pfosten von Jungspund Lars abgelöst wird. In seinem ersten Herrenspiel brennt der sonst in der A-Jugend-Bezirksliga Bälle fischende Torwart direkt mal zwei Paraden in den Hallenboden. Trotz des guten Starts des Hüters muss Bochum aber nach dem 17:14 etwas abreißen lassen, beim 19:14 drei Minuten vor der Pause kassiert der Duisburger Dampfhammer Patrick Heyer eine komplett unnötige, nur seiner Revolverschnauze geschuldete Zeitstrafe, langsam ziehen dunkle Wolken am Bochumer Gemüt auf. Drei Minuten sind im Handball aber eine Ewigkeit, Sascha Behnke, Max Birkemeier und Matthias Plewnia pusten mit vier Treffern bis zur Halbzeitpause die Bochumer Gedanken etwas frei, 19:18 heißt es zur Pause.
In der Kabine wird abgesehen von taktischen Kleinigkeiten eins festgestellt: Das hier ist ein typisches Schweinespiel, handballerische Feinkost wird heute nicht kredenzt. Am Ende kann und muss es aber der VfL sein, der dieses Spiel auf seine Seite zieht.
Wieder im Geschehen entwickelt sich ein offener Schlagabtausch, bei dem sich beide Mannschaften Tor um Tor um die Ohren hauen. Beim VfL ist es die schönste Zaubermaus seit Darius Wosz, Alex Cousen, die dem Spiel ihren Stempel aufdrückt. Eine Zeitstrafe rausgeholt, ein Tor selbst gemacht und zwei direkt vorbereitet – kein schlechter Arbeitsnachweis für 3 Minuten und 40 Sekunden. Bochum verzettelt sich dann bis zur 40. Minute in Kleinigkeiten, muss vom 20:21 auf 25:21 erst die Führung abgeben und dann den Gastgeber davonziehen lassen. Besonders der Kreisläufer der Hattinger ist hier kaum zu halten. Auch in der Deckung packt der Kollege prächtig zu, eine Zeitstrafe für ihn setzt den Auftakt für eine stärkere Schlussphase der Gäste. Der wuchtige Max „Happy“ Lorenz taucht überall auf, eröffnet die Aufholjagd vorne mit einem ungewöhnlich fein aus dem Handgelenk geschraubten Dreher um die langen Stelzen des Torwarts der HSG herum und lädt nach einem Ballgewinn Sascha Behnke zum 28:27 ein. Der Gastgeber spürt den heißen Atem des VfL im Nacken und weiß sich nur durch eine Auszeit zu retten. Wer die Saison der Bochumer aufmerksam verfolgt hat, kann aber voraussehen, dass Trainerdruide Stroopolix in Auszeiten in der Schlussphase einen ganz besonderen Zaubertrank kocht.

(Symbolbild)
Das Magnum Opus am Ende dieses Spiels beginnt mit einer Eskalation. Im Schwergewichtskampf am Kreis haben sich der Hüne aus Sprockhövel und der Hüne aus Langendreer besonders lieb, sowohl Robin Becker bei der HSG als auch der Knihser beim VfL bekommen zwei Minuten Pause zum Durchschnaufen. Danach gleicht Max Birkemeier zum 28:28 aus, bevor beide Mannschaften, angeknockt wie Boxer in der letzten Runde, das Spieltempo verschleppen. Hattingen kann noch das 29:28 erzielen, aber jetzt ist der VfL da und hat sich festgebissen. Der Motor ist heißgelaufen, Bochum bringt die MAXimale Durchschlagskraft. Lorenz, Birkemeier, Lorenz, verfeinert durch das feine Cousensche Händchen und einen gehaltenen Siebenmeter vom Knorwart. 43 Sekunden zu spielen, drei Tore Vorsprung, zwei Punkte sind auf der Fiege-Kiste festgezurrt und transportbereit nach Bochum. Der letzte Treffer des sonnigen Sonntags gebührt dem Heimteam, ist aber nur noch Makulatur.
Der VfL aus Bochum gewinnt das erste von sieben Endspielen, die in dieser Saison noch ausstehen am Ende knapp, aber verdient. Die großen Lücken in der Deckung werden in der zweiten Halbzeit konsequent geschlossen und wenn der VfL sein Umschaltspiel schnell genug durchzieht, hat die HSG über die gesamte Spieldauer wenig entgegenzusetzen. Dass der VfL für 45 Minuten einem Rückstand hinterherlaufen muss, liegt auch nicht an den zweifelsfrei vorhandenen spielerischen Qualitäten, sondern am Fokus. Gerade in der ersten Halbzeit beschäftigen sich die Mannen mit dem Bochumer Wappen über dem Herzen deutlich zu sehr mit den Fehlern des Nebenmanns, dem Schiedsrichter, den Zuschauern und allerlei anderem Kram. Das war in dieser Saison schonmal besser und genau dieser klare Fokus auf den eigenen sportlichen Erfolg muss wieder selbstverständlich werden. Dann klappt es im Endspurt der Saison auch mit den noch notwendigen Punkten, um weiter nach ganz oben zu schielen. Endspurte von Spielen sind VfL-Sache, also warum nicht auch Saisonendspurte?
Den Spruch des Tages blasphemiert sich der wieder genesene Gordon „Corny“ Kempkes aus der Großhirnrinde, der seine Genesung offensichtlich mit grauen Zellen bezahlt hat und im Bezug auf die dritte Mannschaft ohne Ironie nachfragt: Habt ihr denn auch genug Bier da?
Spieler des Spiels werden zum einen der wurffreudige und treffsichere Max Lorenz und zum anderen die jugendliche Unbeschwertheit im Tor, Lars Wegge, der sich zum Einstand direkt in Schale schmeißen darf und nicht nur auf dem Feld durch seine modischen Entscheidungen überzeugt.

Für den VfL den Endspurt begonnen haben: David Knorr (TW), Lars Wegge (TW), Max Birkemeier (6) , Patrick Heyer (3), Alex Cousen (3), Lars Sikoski (1), Mark Stinn, Max Lorenz (9), Sebastian Knihs (1), Niklas Willrodt, Gordon Kempkes (1), Sascha Behnke (3), Matthias Plewnia (4), Jannik Kocian (1).