TB Beckhausen – VfL Bochum 20:21 (7:11)
Für Fixe: Der VfL startet mit der alten Leier in die neue Saison und muss sich nach schwacher Angriffsleistung bei einer starken Deckung und einem guten Schnapper bedanken.
„Ich glaub, es geht schon wieder los“ – diese Liedzeile von Schlagersänger Roland Kaiser wird dem ein oder anderen Bochumer Spieler durch die am Sonntagmorgen mühselig mit einer Kompanieladung Kaffee gefügig geprügelte Großhirnrinde gegeistert sein, als die Mannschaft zum ersten Saisonspiel beim Kreisligaabsteiger in Beckhausen eintrudelte. Zur Feier des Tages gab es stilecht Kaiserwetter in Gelsenkirchen, doch so richtig royal war die Situation nicht. Erst war die Vorbereitung durch den Mangel an Hallenzeiten im Bochumer Stadtgebiet maximal mittelprächtig verlaufen und dann hatte das Leben ebenso fleißig an den Stützen des Bochumer Angriffsspiels gesägt. Die Abgänge von Julius Kirschner, den es beruflich wieder ins Rheinland zieht, und Leo Hardam und Lukas Birkhoff zum –Zitat R. Fischer – „Fliegenfischen im Amazonas“ rauben dem VfL mit 156 Toren in der Vorsaison viel Durchschlagskraft. Max Lorenz aus Hattingen und Sascha Behnke vom BHC sollten diese Lücke zwar füllen, standen aber aus persönlichen Gründen in Beckhausen nicht zur Verfügung. Auch die Rückkehr des Zauberfranken Jonas Knaust, der verletzungsbedingt nur acht Spiele in der Vorsaison machen konnte, verzögert sich durch die Mühlen der Verwaltung um mindestens eine Woche. Mit der Unterstützung von Waagerechtschütze Dean „Dejanovic“ Cyprian aus der zweiten Mannschaft fanden sich trotzdem üppige vierzehn Namen auf dem Spielberichtsbogen. Am späten Samstagnachmittag hatten Anwohner am Stroopschen Anwesen im schnieken Bochumer Süden auch von einer gigantischen Staubwolke erzählt, die verlässlichen Quellen zufolge dadurch entstand, dass der VfL-Trainer die bereits archivierten Matchpläne der vergangenen Rückrunde ausgrub, einmal kräftig durchpustete und direkt am Sonntag wieder zum Einsatz zu bringen gedachte. Die Devise musste – auch ohne Innovationspreis – gegen nur sieben Beckhausener Feldspieler ein an die Ölwanne festgeschraubtes Gaspedal sein. Grade eine schnelle Mitte und eine konsequente zweite Welle würden gegen eine sonst massive Deckung der Gastgeber essenziell sein. Bereits in der Kabine herrscht gute Stimmung und zum Saisonstart schlägt das Team Töne an wie ein Schönheitschirurg mit Sonderangeboten – jeder bekommt sein Fett weg.
In die Saison startet Bochum mit viel Routine, das erste Saisontor erzielt Rückraumkraftwürfel Gordon „Corny“ Kempkes nach feinem Anstoßen von Kapitän Jannik Kocian. Bereits die ersten zehn Minuten zeigen aber schon, dass noch ordentlich Sand im Getriebe ist. Zwar steht die Deckung gut und auch der Beckhausener Mittelmann kommt nicht wie gewohnt zur Entfaltung, doch das Tempospiel und der Druck im Angriff fehlen. Nach elf Minuten trifft Co-Trainer Lars Sikorski zum 4:4, bis hierher entspinnt sich ein fehlerbehaftetes Spiel auf Augenhöhe. Beide Mannschaften haben sichtlich Probleme mit dem Spielball, technische Fehler hüben und drüben hemmen den Spielfluss enorm. Aus einer frühen Auszeit stellt der in Rot aufgelaufene Gastgeber sein Spiel etwas um. Der wurffreudige Mittelmann bedient zweimal den körperlich und handballerisch bärenstarken Kreisläufer, Bochum hat zweimal das Nachsehen. Die Gäste bleiben aber durch starke Einzelaktionen von Dean Cyprian im Rennen und als die rechte Stelze des Bochumer Schnappers Endstation für den ersten Beckhausener Siebenmeter der Partie ist, beginnen die zehn stärksten Minuten des VfL. Ein Törchen gelingt dem Gelsenkirchener Gastgeber bis zur Pause noch, aber mehr Tempo in der Vorwärtsbewegung und eine konsequentere Chancenverwertung sind die Zutaten, aus denen der Gast bis zur Pause einen Vorsprung von vier Toren braut.
Der Halbzeitpfiff kommt für Bochum zum falschen Zeitpunkt und raubt der Stroop-Sieben das gerade aufgebaute Momentum. Trotzdem heißt es, den Fokus und die Intensität aufrechtzuerhalten. Spiele dieser Art sind gefährlich, neigt die Mannschaft doch dazu, den Gegner in genau solchen Partien noch einmal stark zu machen.
Aus der Kabine kommend mag den VfL-affinen Zuschauern auch direkt nochmal Roland Kaiser durch die Ohrmuschel gekrochen sein – denn es ging schon wieder los. Die Angriffsbemühungen der im schnieken weißen Dress aufgelaufenen Gäste wirken in Halbzeit Zwei wie eine Seniorenspaßveranstaltung der besonderen Art, der man die falschen Pillen geliefert hat– kein Stoßen dahin, wo es Spaß macht. Wenn doch einmal klare Chancen herausgespielt werden, scheitern die Werfer reihenweise am jetzt stark aufspielenden Torwart der Gastgeber. Bis zur 48. Minute werfen die Mannen aus Bochum zwei einsame Tore und nur die starke Deckung und der weiterhin wache Schnapper halten die Gäste im Spiel. Trotzdem gelingt dem Gastgeber beim 13:13 nach 47 Minuten der erste Ausgleich seit dem 5:5. In der letzten Viertelstunde sind es die alten Hasen, die mit ihrer Erfahrung und Abgeklärtheit den VfL aus dem Mittagsschlaf reißen. Erst legt Iceman Alex Cousen vom Siebenmeterpunkt den Ball mustergültig über den Scheitel des Torwarts, dann trifft in Unterzahl – Kreisläufer Torben Nolting hatte seinen Gegenspieler etwas zu sehr genö(l)tigt – Kapitän Jannik Kocian, bevor Altmeister Paul Ruppersberger seinen Compagnon Lars Sikorski mustergültig zum 16:19 bedient. Beckhausen gibt sich aber nicht geschlagen, kommt beim 18:19 dreieinhalb Minuten vor dem Ende noch einmal heran und hat sogar die Chance auf den erneuten Ausgleich. Da spielt Knorrwart David aber nicht mit, kauft dem durchstoßenden Halbrechten den freien Wurf ab und schickt als Kirsche auf der Sahnetorte Rechtaußen Matthias Plewnia auf die Reise, der zum 18:20 einnetzt. Der VfL aus Bochum wäre aber nicht der VfL aus Bochum, wenn nicht auch zur Saison 24/25 die Deutsche Vereinigung der Kardiologen wieder Hauptsponsor der Handballer sein könnte. Dem 19:21 112 Sekunden vor dem Ende folgen zwei Zeitstrafen für Lars Sikorski und Sebastian Knihs, die doppelte Überzahl nutzt Beckhausen durch den Rechtsaußen zum 20:21. Die Gäste kommen im Vier gegen Sechs zwar noch zu einem Abschluss, scheitern aber aus einer schwierigen Position und der Ball befindet sich eine Minute vor Schluss in den Händen der Gastgeber. Einmal durchspielen und dann schickt der Kreisligaabsteiger seinen bis dahin nur mäßig erfolgreichen Linksaußen in die Entscheidung. Der herausgespielte Winkel ist großzügig, der Wurfarm zuckt, doch wie so oft an diesem Sonntag heißt die Endstation Knorrwart. Der Bochumer Schnapper hat den Braten gerochen und lässt die Beine zusammen. Die letzten zehn Sekunden spielt der Gast herunter, dann bricht sich befreiter Jubel auf der Bank Bahn. Bochum gewinnt zum Saisonauftakt in Beckhausen.
Das erste Spiel, der erste Krimi. Dem VfL reichen unterm Strich zehn starke Minuten pro Halbzeit, um gegen personell ausgedünnte alte Bekannte in Beckhausen zwei Punkte mitzunehmen. Aus dem Spiel lassen sich abgesehen von der stimmigen Moral wenige Schlüsse ziehen. Personell können die Ausfälle von Jonas Knaust, Max Lorenz, Sascha Behnke und Roman Saure gerade im Tempospiel kaum kompensiert werden. Patrick Heyer, der seine Knieprobleme besser in den Griff zu bekommen scheint, und der gerade erst von einer Meniskusverletzung genesene Gordon Kempkes sind zum einen andere Spielertypen und zum anderen soll die Last des Tempospiels auf mehrere Schultern verteilt werden. Diese Begründung soll keine Ausrede sein, gerade die mangelnde Chancenverwertung hat auch mit einer fehlenden Cleverness im Abschluss zu tun. Spiele auf Messer Schneide schweißen aber zusammen, Siege in solchen Spielen erst recht und gewinnen muss man diese Spiele auch erstmal. Genug Futter für das Phrasenschwein, weiter geht’s. Unterm Strich hat auch dieser Sonntag in Beckhausen eine Sache wieder klar gezeigt: Die Liebe zu dieser Mannschaft ist nicht das ruhige und zarte Pflänzchen einer ersten vorsichtigen Romanze mit scheuen Blicken und dahingehauchten Liebesbekundungen. Vielmehr tritt diese Truppe die Tür zu deinem Herzen brutal ein, rammt dir das VfL-Gen in die Brust und schmeißt dir mit einem hingerotzten „Um Acht umgezogen in der Halle“ und einer unbestimmten gegrölten Beleidigung einen vorzüglich temperierten Hopfentorpedo zu, der zum Crescendo des Grönemeyer-Songs in deinem Herzen wie von Geisterhand aufploppt. Der VfL feiert seine Heimspielpremiere im Schatten der Fiege-Brauerei am kommenden Samstag. Um 20:00 ist in der Halle am Ostring die Drittvertretung des VfL Gladbeck zu Gast.
Den Spruch des Spiels liefert – wie sollte es anders sein – der ebenfalls genesene Gohli Fabi, der die leiblichen Besonderheiten des ortsansässigen Gelsenkircheners wie folgt erläutert: Die können nichts dafür, wie sie sind – dick.
Zur neuen Saison hat der Captain seinen Wahlblock, eigentlich ein unbezahlbares Dokument der Handballgeschichte, verloren und gegen Schweißbrand eingetauscht. Gewählt wird trotzdem und ganz uncharakteristisch bei einem Sieg wird der Knorrwart Spieler des Spiels, der als frischgebackener Beautywart 60 Minuten schöne und wohlriechende Paraden auf die Platte zaubert.
Für den VfL der Niederlage von der Kohlenschaufel gesprungen sind: David Knorr (TW), Fabi Gohl (TW), Max Birkemeier (1), Patrick Heyer, Alexander Cousen (3/2), Lars Sikorski (4/3), Paul Ruppersberger, Mark Stinn, Dean Cyprian (3), Sebastian Knihs, Gordon Kempkes (2), Matthias Plewnia (4), Jannik Kocian (3), Torben Nolting (1).