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Hoch erhobenen Hauptes

SG Suderwich – VfL Bochum 25:24 (13:13)

Für Fixe: Bochum muss sich nach starkem Kampf in letzter Sekunde der SG Suderwich geschlagen geben, kann aber viel Positives für die weitere Saison mitnehmen.

Spieltag 18 einer langen Kreisligasaison und die Anfahrt zum Auswärtsspiel des VfL Bochum in Suderwich entwickelte sich durch eine Autobahnsperrung zu einer echten Tour de Ruhr. Nach der Besichtigung der schönsten Durchfahrtstraßen in Herne und Recklinghausen schlägt die Truppe von Trainer Stroop zum ersten Mal in der Halle an der Lülfstraße auf, um wie so oft eine mit Baumharz vollgekleisterte Schweineblase auf unschuldige Torhüter zu knallen. Fünf Punkte aus drei Spielen, eine starke Mannschaftsleistung und mit Gordon Kempkes und Roman Saure zwei Spieler für die Breite und Tiefe des Kaders – so weit so gute Voraussetzungen. Da bei Knien bekanntlich ab einem bestimmten Punkt weitere Zerstörung unwahrscheinlich und Körperverletzung mit der eigenen Person als Opfer auch nicht strafbar ist, war Abwehrbollwerk Patrick Heyer für zwei Spiele zurück in den Kreis seiner Verrückten gekehrt. Das Duell in der mit Zuschauern gut gefüllten Halle in Recklinghausen stand tabellarisch aber unter unterschiedlichen Vorzeichen. Während die Gastgeber als Tabellenvierter Höhenluft schnuppern durften, schwamm der VfL immer noch im sumpfigen Tabellenkeller Suderwich war mit acht Feldspielern und ohne den im Hinspiel überragenden Rückraumshooter personell angeschlagen, Bochum kam mit einer vollen Bank. Die Devise war damit klar: Tempo, Tempo, Tempo.

Auf die Platte startet der VfL gut. Der erste Ball wird Beute des starken Knorrwarts, die erste Bude macht vorne nach schöner Kreuzung Gian-Luca. Der Ball läuft flüssig durch die Reihen der Bochumer, die Deckung steht gut. Dass sich das nicht auf der Anzeigentafel wiederfindet, ist der Verdienst des des Suderwicher Schnappers. Ball um Ball pariert der Torwart, so dass Suderwich sich beim 5:3 minimal absetzen kann. Dann schlummert die blaue Wand langsam ein, die lang gespielten Angriffe und Wechsel der Gastgeber nagen auch an den drahtseildicken Nerven der Bochumer. Ein Schritt zu wenig oder zu spät und schon scheppert es. Logische Konsequenz ist trotz ansehnlichen Spiels ein 11:6-Rückstand. Als die eigentlich großzügigen Schiedsrichter dem VfL einen Siebenmeter zugestehen und Lars Sikorski sich anschickt, diesen sicher in den Maschen zu versenken, entspannt sich zwischen Torwartkrake David und Abwehrbollwerk Paddy ein kurzer Dialog, der viel vom Selbstverständnis der Mannschaft offenbart. Dem beunruhigten „Fünf sind zu viel“ des Steinewerfers aus Rheinhausen entgegnet der Schlacks im Tor nur ruhig „Bleiben keine fünf“. Gesagt, getan. Der Treffer zum 11:7 vom Strich markiert den Beginn einer starken Phase des VfL. Gordon Kempkes mit all seiner Dynamik, Alex Cousen mit einem gewitzten Leger und Roman Sauer mit seinem Premierentreffer für den VfL – die Kugel zappelt jetzt endlich in der Kiste. Suderwich findet gegen eine lautstarke und bewegliche Abwehr kaum noch Lösungen und beim 13:12, was Patrick Heyer durch den Torwart ins Tor wuchtet, ist der Anschluss hergestellt. Den letzten Wurf von Suderwich krallt sich der Schnapper und vorne ist Zauberzwerg Alex nur durch den beherzten Griff in den Wurfarm zu stoppen. Rote Karte, Siebenmeter, Ausgleich. Geht doch.

Nach 30 Minuten ist es ein enges, spannendes Spiel, bei dem der VfL dem Spiel den eigenen Stempel aufdrücken muss. Wer den Spielfluss bestimmt, wird am Ende die Oberhand haben.  

Aus der Kabine kommt der Gast mit der berüchtigten Bochumer Dreifaltigkeit. Ein Ballverlust, ein gehaltener Strafwurf und ein Tor später steht es 13:14. Die dezimierten Gastgeber spielen in dieser Phase aber den clevereren Handball, suchen sich im Angriff immer wieder ihre Ruhepausen und schläfern den VfL langsam ein. Ein behäbiges Abschlussverhalten vorne ist die Folge, auch zwei! Kopftreffer für den Schnapper der Gastgeber rütteln niemanden auf. Dass zwischen der 35. und 45. Minute vier Bochumer Zeitstrafen kassieren, hilft nicht weiter. Beim 21:17 elf Minuten vor dem Ende reißen erst die Sirene zum Timeout und dann Trainer Stroop Bochum lautstark aus der Dösigkeit. Der Unterschied liegt nur darin, dass Suderwich das Spiel machen darf. Drückt der VfL aufs Tempo, ist hier richtig Feuer in der Bude. Das 22:18 vom Strich ist für 360 Sekunden das letzte Strohfeuer der Gastgeber, danach spielt nur noch Bochum. Exemplarisch ist der Einsatz von Rechtsaußen Roman Saure, der mit einem Monsterblock ein sicheres Tor aus dem Gegenstoß! verhindert. Zwar pfeifen die Schiedsrichter Abwehr im Kreis, da die Welt aber manchmal gerecht ist, hält Knorrwart David seinen dritten Strafwurf des Abends. Sechs Gästetore in Serie drehen das Spiel folgerichtig auf 22:24. Suderwich kann nach zwei Paraden des in der zweiten Halbzeit blasseren Torwarts ausgleichen und dann… dann beweist der geilste Sport der Welt, wie brutal er sein kann. 59:30 Minuten sind gespielt, als die Schiedsrichter entgegen ihrer bisherigen Linie ein Stürmerfoul gegen den VfL pfeifen. Suderwich kommt ein letztes Mal in Ballbesitz und erzielt Herzschläge vor dem Ende den umjubelten Siegtreffer. Schlusspfiff. Kacke.

Manchmal ist der Handballgott ein Arschloch. Manchmal ist der Sport so bitter, dass man kotzen möchte. Im Gegensatz zu den meisten Spielen, die Bochum knapp verliert, hat sich der VfL in diesem Spiel nichts vorzuwerfen. Dass Fehler passieren, geschenkt. Dass nicht 60 Minuten höchstes Niveau gezeigt wird, geschenkt. Dass aber eine Mannschaft, die erst fünf und dann vier Tore Rückstand aufholt und 80 Sekunden vor dem Ende mit zwei Toren führt, mit leeren Händen dasteht, ist ganz schwer zu verdauen. Natürlich kondensiert gerade in so einem Spiel alles, was den Handball so großartig macht. Das zähe Ringen auf Augenhöhe, der sportliche Wettkampf, in dem immer etwas passieren kann. Geile Buden, noch geilere Paraden, die einzigartige Balance zwischen Härte und Fairplay. Dass dieses Kondensat aber als Tränchen nach der Niederlage im Augenwinkel jener zittert, die es mit den leidenschaftlich kämpfenden Bochumern halten, hätte nicht sein müssen.

Und trotzdem, trotzdem kann die Mannschaft bei allem Gegenwind und Sturm hoch erhobenen Hauptes in die nächsten Spiele gehen. Ein krasser Zusammenhalt und eine außergewöhnliche Geschlossenheit sind Ausprägungen eines Teams, was jeden einzelnen Spieler braucht, wo sich aber auch jeder Einzelne als gleichwertiger Teil eines Kollektivs begreift. Wer den letzten Ball verwirft, das letzte Stürmerfoul begeht oder den letzten Wurf kassiert, spielt keine Rolle. Nicht ein einziges Wort der Anklage fliegt durch die Kabine, keiner macht seinem Mitspieler Vorwürfe, die einzige Kritik ist Selbstkritik. Hätten wir Suderwich mit zehn Toren geschlagen, wären wir zusammen die geilste Truppe der Welt. An einer Niederlage sind über die 60 Minuten ebenso alle Spieler beteiligt, die geilste Truppe sind wir trotzdem.  Handball beim VfL zu spielen, heißt eben nicht nur, gemeinsam auf der Platte zu stehen und nach dem Sport vor der Halle zusammen eine Kaltschale zu leeren. Es heißt mindestens genauso stark, die luftigen Höhen ebenso miteinander zu genießen und auszukosten wie die niederschmetternden Tiefen durchzustehen. Das laute „VFL“ am Ende im Mannschaftskreis schmettert, egal ob in Ekstase wie nach Siegen in Wanne oder Welper oder trotzig wie nach den beiden Niederlagen gegen Suderwich, immer geschlossen und vereint durch den Gehörgang. Mit der gezeigten sportlichen Leistung muss sich Bochum nicht verstecken, die Ergebnisse und Punkte werden kommen. Trotz aller Möglichkeiten im Spiel darf nicht vergessen werden, dass die Gastgeber aus Suderwich nicht ohne Grund so weit oben in der Tabelle mitspielen. Der Samstagabend wird noch genutzt, um sich in der Stadt des herb-heiligen Moritz Fiege aktiv den Frust aus der Großhirnrinde zu spülen. Nächstes Wochenende geht es mit dem 308er-Derby gegen die SG aus Dahlhausen weiter. Anwurf in der Festung am Lohring ist am Sonntag um 17:00, einer sportlich hochklassigen Abendgestaltung steht also auch am Wochenende nach dem Superbowl nichts im Wege.

Den Spruch des Spiels liefert Trainer Stroop: Trainer bei euch ist der geilste Job der Welt. Da bleibt uns nur, danke zu sagen und uns weiter den Allerwertesten aufzureißen.

Spieler des Spiels wird Alex, der seine Bälle entweder im Tor (6) oder im Gesicht des Torwarts (1) versenkt.

Sich für den VfL zerrissen haben: David Knorr (TW), Fabi Gohl (TW), Max Birkemeier (1), Patrick Heyer (1), Alex Cousen (6), Lars Sikorski (5/4), Gordon Kempkes (3), Flemming Hensen (1), Matthias Plewnia (2), Torben Aspöck (1), Roman Saure (3), Gian-Luca Nunes-Vetra (1), Sebastian Knihs.

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