VfL Bochum – PSV Recklinghausen 2 23:26 (13:10)
Für Fixe: Der VfL kann sein hohes Niveau zum Jahresauftakt nur 30 Minuten halten und verliert erst den Faden und dann das Spiel.
Das Jahr 2023 ist da, Weihnachten und Silvester hatten die Handballkreisliga im Kreis Industrie in eine Pause gezwungen, in der die Recken vom VfL die Hand vom Ball eher in Richtung Wampe bewegt hatten. Dementsprechend stark juckte es in den Fingern, die Harzpille auch im neuen Jahr wieder fliegen zu lassen. Personell hatte sich in der kurzen Zeit einiges getan. Im letzten Spiel in Hattingen hatte Paddy the Baddy, seines Zeichens hauptamtlicher Zerstörer in der Deckung und nebenberuflich Steinewerfer im Angriff, sich entschieden, dass die optimale Zahl von nicht gerissenen Menisken im Knie Null ist und fällt daher auf unbestimmte Zeit aus. Dafür können mit Neuzugang Flemming Hensen und Rückkehrer Sebastian Knies zwei Spieler endlich von Bank und Tribüne auf Spielberichtsbogen und Feld wechseln. Damit steht dem Trainerduo Stroop/Sikorski die gesunde Zahl von zwölf Spielern zur Verfügung, um die spielerisch guten Leistungen des Vorjahres zu bestätigen und endlich in Punkte umzumünzen. Von den engen „Kann“-Spielen mit Gegnern auf Augenhöhe hatte der VfL bisher nur ein mageres Pünktchen erhascht, mit der Zweitvertretung des PSV Recklinghausen kam aber erneut ein Gegner in die schönste Stadt im Ruhrgebiet, der in der Tabelle weiter oben, in den Leistungen aber wechselhaft war. Die Basis musste in berufsbedingter Abwesenheit von Regisseur Alex und immer noch anhaltender Verletzungspause von Kapitän und Raumdeuter Jannik Kocian eine starke Abwehr sein, um mit Ballgewinnen und Tempospiel den neu formierten Rückraum zu entlasten. Angepeitscht von einem guten Dutzend leidgeprüften, dem Heimteam wohlgesonnenen Zuschauern geht es in einer lauten Halle zum ersten Mal 2023 endlich wieder mit Handball los.
Auf die Platte startet der VfL wie gewohnt mit einer starken Deckung, aber einem ausbaufähigen Angriff. Die gute Deckung verschiebt schnell und erzwingt Abschlüsse aus schlechten Positionen, die Beute des gut ins Spiel findenden Schnappers werden. Im Angriff fehlt aber ebenfalls noch das Zielwasser, was die Gäste aus Recklinghausen durch eine schnelle Mitte und einen flinken Halblinken mit zwei schnellen Treffern bestraft. Bochums Außen halten das Heimteam im Spiel, Matthias Plewnia und Daniel Verhoeven stellen auf 4:4 nach zehn Minuten, das Spiel scheint auf Augenhöhe. Dann krallt sich der Schnapper, der den ersten Strafwurf noch knapp passieren lassen musste, den zweiten Siebenmeter und vernagelt dann sein Tor. Vorne hat Springfloh Leo sein Zielvisier neu justiert und ballert den VfL mit einem 7:2-Lauf in Führung. In der 23. Minute steht es 11:7, ein vorbildliches Rückzugsverhalten und einfache Tore aus dem Rückraum sind jetzt entscheidende Trümpfe auf der Hand bei den Gastgebern. In die Pause geht es mit 13:10, das Momentum liegt klar bei Bochum.
In der Pause heißt es Durchatmen, denn das konsequente Spiel auf einem so hohen Konzentrationslevel fordert Kraft. Vorne muss in der zweiten Hälfte weiter mit Druck auf die Nahtstellen gespielt werden, hinten darf der wurfgewaltige Rückraum des PSV nicht in Bewegung kommen, sonst wird es schwierig.
Aus der Kabine kommt Bochum aber noch leicht verschlafen, die in Grün agierenden Gäste decken jetzt dauerhaft in einer 5-1. Mit dem schnellen Vorgezogenen tut sich der neu formierte Rückraum der Gastgeber schwer, drei schnelle Ballverluste und ein verworfener Siebenmeter später führt Recklinghausen 13:14 und der VfL hat den Faden verloren. Im Angriff bleibt es Stückwerk, aber gerade die Deckung lässt sich jetzt weiter nach hinten drücken und auch der Schnapper kann die Maurermeister-Performance der ersten Halbzeit nicht bestätigen. Der PSV nutzt die sich bietenden Lücken zu einfachen Toren, Bochum belibt aber durch Individuelle klasse in Schlagdistanz. Drei Zeitstrafen innerhalb von fünf Minuten lassen ab der 43. Minute den Kontakt leicht abreißen, beim 16:19 in der 47. Minute hat der VfL den messerscharfen Fokus aus der ersten Halbzeit verloren. Statt sportlicher Leistung rücken Zuschauer, Schiedsrichter oder das Wetter in den Blickpunkt. Immer wenn der VfL also zur großen Aufholjagd blasen möchte, in der Deckung einen Ball erkämpft oder vorne die Pille in die Maschen nagelt, fehlt das Quäntchen an Spielglück. Beim 19:21, 20:22 und 21:23 fünf Minuten vor Ende ist das Spiel noch offen, dann sucht Bochum mit aller Gewalt die Entscheidung, scheitert aber im in der zweiten Halbzeit verbesserten Torwart der Gäste. Beim 21:26 keine zwei Minuten vor dem Ende ist die Messe gelesen, die letzten beiden Bochumer Tore sind nur noch Ergebniskosmetik. Am Ende gewinnt der Gast aus Recklinghausen mit 23:26 und der VfL holt aus seinen Heimspielen der Hinrunde nur drei Punkte.
Puh, auch 2023 spielt die gleiche Leier wie 2022. Wie schon so oft diese Saison hat Bochum sehr gute Ansätze, präsentiert sich in der Spitze absolut auf Augenhöhe, kann aber den Fokus und das Niveau nicht über 60 Minuten halten. Eine starke Deckung mit 26 Gegentoren reicht mit mangelnden Optionen im Rückraum, gerade auf der Mitte, nicht aus, um das Spiel zu gewinnen. Jetzt heißt es trotz allem, in der Trainingswoche Gas zu geben, stehen doch mit den Spielen in Gladbeck, in Welper und zuhause gegen Schalke in den kommenden Wochen Partien ins Haus, in denen Ponkte keine Option, sondern Pflicht sind. Also gilt die Devise, als Team an einem Strang zu ziehen. Immerhin konnten sowohl Flemming als auch der Knieser mit ihren Premierentoren ihren Beitrag zum Kampf gegen die Unterhopfung der Mannschaft leisten.
Der Spruch des Tages kommt von Trainer Stroop zur Wahl der Ordner aus dem Publikum: „Sven lebt Handballtradition und nimmt die Jüngsten.“ Auf manche Dinge ist eben Verlass.
Spieler des Spiels wird mit neuen Toren teils aus dem Nullwinkel und einer starken Quote vom Punkt Leo Hardam.
Für den VfL die Knochen auch 2023 hingehalten haben: David Knorr (TW), Fabi Gohl (TW), Max Birkemeier (2), Flemming Hensen (1), Lars Sikorski (1), Paul Ruppersberger, Daniel Verhoeven (3), Matthias Plewnia (2), Sebastian Knies (1), Leo Hardam (9/3), Niklas Willrodt, Julius Kirschner (4).