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Allgemein,  Spielberichte 1. Herren

Wanne sehen und siegen

DSC Wanne.Eickel – VfL Bochum 18:23 (11:7)

Für Fixe: Der VfL zieht sich nach schwachen 35 Minuten in wahrer Münchhausen-Manier am eigenen Schopf aus dem Sumpf und schlägt Wanne im Schlussspurt deutlich.

Ein milder Sonntagmorgen am ersten Adventswochenende 2022, eigentlich genau die passende Zeit fürs Brötchenholen zum idyllischen Frühstück mit der lieben Familie. Eine bärbeißige Bande Bochumer Buben macht sich stattdessen auf eine beschwerliche Reise von knapp sieben Kilometern, um zu fast nachtschlafender Zeit eine Harzkugel in ein Tor zu prügeln. Anwurf in Wanne ist traditionell um 11:15. Da einige geschätzte Mitglieder beim Appell des Trainers, etwaigen Alkoholkonsum auf den Freitag zu verschieben, sich zufällig gerade um die letzte Rolle Tape balgen mussten, wurde des Samstags mit dem gebührenden Ernst dem achtarmigen Reinorgeln gefrönt. Auswirkungen waren neben einer halbvollen Kaffeetasse aus der eigenen Küche am Treffpunkt Augenringe, Gähnen und allgemeine Müdigkeit. Ob die blutunterlaufenen Augen vom Schlafmangel oder der Wut der letzten Wochen im Bauch kamen, lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit bestimmen. Es lässt sich aber festhalten, dass das Spiel ein absolutes Kellerduell ist. Letzter gegen Vorletzten, Dreck fressen und Reinbeißen ist angesagt. Wanne ist vor dem Spiel Tabellennachbar, hat aber Beckhausen deutlich geschlagen und damit sportlich ein Ausrufezeichen gesetzt. Im Spiel war der DSC in den letzten Jahren ein unangenehmer Gegner, der aus einer starken Deckung mit dicken Jungs im Mittelblock klare Konzepte spielen will. Der VfL will die gute Leistung aus der Heimniederlage gegen Scherlebeck und den letzten Trainingseinheiten mitnehmen und hat dafür entsprechend schweres Werkzeug im Gepäck. Insgesamt 14! Spieler finden ihren Weg auf den Spielbericht und lassen das Trainerduo Stroop/Sikorski in der ungewohnt luxuriösen Situation, das Gaspedal voll durchdrücken zu können. Aus der etablierten 5-1-Deckung soll es mit Dampf nach vorne gehen, jeder kann und muss sich auspowern. Das Spiel ist eines, was der VfL gewinnen muss! Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten wird nicht genommen, die Zeit der Ausreden ist vorbei. Auf die Platte geht es vor vier verrückten Bochumer Edelfans, die die Mannschaft lautstark nach vorne peitschen.  

Ins Spiel startet Bochum flüssig, erarbeitet sich in den ersten Angriffen gute Wurfpositionen und scheitert am Torwart. Der Anfang passt zum Rest der ersten Halbzeit, soviel sei vorweggenommen. Die aufmerksame Deckung fängt den ersten Pass des Heimteams an den Kreis ab, kassiert aber trotzdem das 1:0 und 2:0. Einen abgefälschten Ball beim angezeigten Zeitspiel und einen Gegenstoß später gleicht Leo Hardam für die Gäste aus. Dann aber kehrt der Torwart des DSC seinen inneren Landin raus und kassiert in 21 Minuten nur noch drei Gegentore. Eine Mischung aus schlecht vorbereiteten Abschlüssen, zu wenig Druck im VfL-Angriff und starken Paraden machen den Bochumern stark zu schaffen- Bis zum 5:5 in der 17. Minute ist das Spiel auf Augenhöhe, aber dann kommt Wanne durch zwei Abpraller und unglückliche Gegentore für die Gäste ins Rollen. Beim 10:5 in der 25. Minute fällt der Gastmannschaft wenig ein. In der Abwehr ist Bochum zwar wach, kommt aber manchmal in der 5-1 den Schritt zu spät und büßt Rückraumshooter Julius Kirschner mit bereits zwei Zeitstrafen ein. Ein Torwartwechsel spült Fabi Gohl für den unglücklichen David Knorr zwischen die Pfosten und Fabi nimmt zum Einstand spontan einen freien Wurf weg. Knapp zwei Minuten vor der Halbzeit lässt Rückkehrer Daniel Verhoeven den bis dahin treffsicheren Linksaußen der Wanner über die Klinge springen und nimmt dafür zurecht zwei Minuten Platz. Der Gastgeber verballert den fälligen Siebenmeter und beim VfL geht ein Ruck durchs Team, den Kampf endlich körperlich anzunehmen. In die Pause geht es mit einem Rückstand von 11:7.

In der kuscheligen Kabine wird erstmal ein Beruhigungspausentee aufgebrüht. Die eigentlich starke 5:1-Deckung hatte dem bulligen Kreisläufer erlaubt, zu viele Räume zu reißen, wodurch Wanne zu leicht abräumen konnte. Dem soll mit einer kompakten 6:0-Formation Abhilfe geschaffen werden. Kombiniert wird die neu geordnete Defensive mit einem Spezialistenwechsel für Abwehrbollwerk Patrick Heyer, der sich auf seine ureigene Kernkompetenz „Zerstörung“ konzentrieren kann und die Gefahr der roten Karte für Julius Kirschner verringert. Ins Spiel nach vorne muss aber mehr Tempo rein, Wanne kann sich bisher zu oft in der Rückzugsbewegung und Deckung ausruhen. So viel sei schon verraten: Die Mannschaft zieht sich den Stiefel nicht nur an, sondern putzt, poliert und besohlt ihn sogar neu, übernimmt in der zweiten Hälfte also Verantwortung.

Aus der Pause kommt der VfL noch 214 Sekunden im alten Trott. Würfe ohne Vorbereitung werden zu leichter Beute des Torwarts. Wanne spielt in Überzahl den Außen gut frei und kann sich auf 14:8 absetzen. Die Uhr zeigt bereits 33:34 gespielte Minuten, als Bochum beide verkrusteten Augen langsam aufzwingt, das Vorabend-Biotop im Pappmaul ausspuckt und entscheidet, das Spiel zu gewinnen. Was einfach klingt, hat schwerwiegende Auswirkungen auf den Spielverlauf. In der Deckung ist die Betriebspause für den Maurermeisterbetrieb „Blaue Wand und Söhne“ beendet, denn die Maurermeister nutzen schweres Gerät und Spezialisten, um die Halle jetzt richtig abzureißen. Vorne wird der Kreis gut freigespielt, hinten wird der Ball gewonnen und der Gegenstoß zappelt im Netz. Trotz des Angriff-Abwehr-Wechsels hält die Stroop-Siebend das Tempo konsequent hoch, auch überhastete Würfe und schlechte Abschlüsse können den ins Rollen kommenden VfL-Bus nicht mehr bremsen. Über 14:10 in der 35. Minute schließt der Gast die Lücke beim 14:14 in der 43. Minute. Zehn Minuten bleiben die Recken in Blau ohne Gegentor, weil Fabi erneut zeigt, warum Bochum sich auf seine Torhüter verlassen kann. Freie Dinger, Rückraumgeschosse oder gutes Stellungsspiel gegen den bis dahin starken Außen – der Schnapper hat ordentlich am Paradenbaum gerüttelt. Nach dem Ausgleich entspannt sich ein zähes Ringen, bei dem die Emotionen hochkochen und sich Bochum manchmal selbst schwächt. Auch Wanne lässt sich mit Nickeligkeiten und harten Aktionen nicht lumpen, trotzdem muss der VfL die einzig passende Antwort auf der Platte geben. Julius Kirschner hat die Lösung in der Tasche, präsentiert sich spielfreudig, steigert aber auch das Herzinfarktrisiko aller Zuschauer mit einem grandiosen Anspiel an den einhändig No-look fangenden Torben und einem frechen Heber zum 15:15. Zehn Minuten vor dem Ende gleicht Wanne zum 16:16 aus, dann aber erwacht mit einem dumpfen Pochen das VfL-Gen in der Brust der Spieler. Die Crunchtime, die letzten zehn Minuten sind VfL-Zeit. In dieser Saison hat der Gast bereits auf Schalke Nehmerqualitäten und Durchhaltevermögen bewiesen und aus den letzten Jahren schießt direkt der epische Last-Second-Sieg im Derby beim BHC in den Kopf. Den heißen Tanz zum Ende eröffnet Max Birkemeier, der einen Pass von Halbrechts technisch anspruchsvoll verwertet und fast von der Grundlinie eine ballförmige Erinnerungsdelle in den Innenpfosten stanzt. Wanne kann zwar mit dem 17:17 und 18:18 nachziehen, aber beim 18:19, was Julius humorlos in die Maschen zimmert, hat der VfL endgültig das Steuer übernommen. Hinten zaubert Fabi eine maximal wichtige Parade gegen den Rechtsaußen aus dem Hut und vorne beweist Leo trotz aller Tore aus dem Rückraum, warum er ursprünglich links außen auf dem Feld stand. Ein blitzsauberer Wurf um die Hüfte des nicht mehr so überragenden Derwischs im Wanner Tor zwingt den Gastgeber zu einer finalen Auszeit. Aus der kommt die von der Bank angefachte Mannschaft aus Bochum hellwach, Wanne kann sein Tempo nicht mehr den nötigen Gang hochschalten. Ein Pass an den Kreis wird von der aufmerksamen Abwehr weggefischt und zwei Gegenstöße später ist der Drops gelutscht. Der VfL gewinnt mit 18:23 und auf der Bank brechen die Dämme.

Endlich. Endlich belohnt sich das Team für eine starke Leistung. Endlich trägt die Deckung das Team, die Fehler fallen nicht ins Gewicht und die Optionen auf der Bank erlauben Wechsel, wenn sie nötig sind. Jeder einzelne der 14 Recken leistet seinen wichtigen Beitrag ohne Murren und fügt sich in die an diesem Tag zugedachte Rolle. Beim Trainerteam fallen Berge von den Schultern und sogar ein Freudentränchen fließt durch das leidgezeichnete Gesicht. Nach 35 ziemlich schlechten Minuten sind es wichtige taktische Änderungen in der Deckung und das Vertrauen in den Spezialistenwechsel, die sich auszahlen. So kann Julius Kirschner vorne stark aufspielen und die Mannschaft sich am eigenen Schopf aus der selbst eingebrockten Scheiße holen. Ein solcher Turnaround ist beachtlich, erinnert aber an das sogenannte Grosche-Theorem. Jenes Grundprinzip des Handballsports besagt, dass Spiele des geilsten Sports der Welt in den letzten 15 Minuten entschieden werden. Um Altmeister Paule aus dem Jahr 2016 zu zitieren: Am Eis darfst du sie lecken lassen, nur die Waffel musst du selbst essen. Die Grundtugenden und Moral passen, dürfen aber auch dem Gegner aus Wanne nicht abgesprochen werden. Bochum gehört die Crunchtime, die letzten zehn Minuten, denn wenn es wichtig wird, schaltet nochmal die Lachgaseinspritzung und der VfL-Bus auf Turbo. Aus einer geschlossenen Mannschaftsleistung ragen Leo Hardam mit acht gerade am Anfang wichtigen Buden und Torwart Fabi Gohl, der nebenberuflich als Geist durch Wanner Albträume geistert, heraus. Nach dem Spiel verliert Krake David im Kreis seinen letzten Rest Stimme, dann heißt es Brüllen, Freuen, Feiern. Der Himmel über Herne weint, weil Wanne das Spiel verliert. Leistungsgerecht muss der DSC aus kleinen Pullen Heineken süppeln, während in der Auswärtskabine die Korken feinsten Bieres aus dem Hause von und zu Fiege knallen. Das Siegerbier schmeckt doppelt gut, der Plan zum Sonntagmorgen ist aufgegangen: Nach Wanne fahren, die Halle abreißen und den Sonntag genießen. Das Team macht selbst bei Niederlagen schon richtig Laune, beim Sieg ist die Rasselbande kaum zu stoppen. Zu allem Überfluss spendiert der DSC als guter Gastgeber sogar warmes Wasser unter der Dusche.

Weiter geht es für den VfL, der den Schwung des Sieges jetzt in eine starke Trainingswoche übersetzen muss, am nächsten Sonntag im Derby beim BHC. Der andere Bochumer Club in der Liga steht in der Tabelle weit oben, hat aber mit Linden, Wattenscheid und Herne die dicken Klopper noch vor der Brust. Anwurf in der Sporthalle an der Dördelstraße zu einem heißen Tanz ist um 16:15.

Der Spruch des Tages kommt frei Haus von Schnapper Fabi, der auch Spieler des Spiels wird und die drei Meter Fußweg zur Krönung schnippisch kommentiert: Warum muss der Dickste eigentlich am weitesten laufen. Überleg mal warum, Fabi.

Den Bann in Wanne gebrochen haben: David Knorr (TW), Fabi Gohl (TW), Max Birkemeier (3), Patrick Heyer (1), Alex Cousen (3/1), Lars Sikorski (2), Paul Ruppersberger, Matthias Plewnia (1), Torben Aspöck (1), Gian-Luca Nunes-Vetra, Leo Hardam (8), Daniel Verhoeven, Niklas Willrodt (1), Julius Kirschner (3).

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