Ruhrbogen Hattingen – VfL Bochum 22:22 (14:12)
Für Fixe: Der VfLholt nach katastrophalem Start einen verdienten Punkt in Hattingen, muss jedoch erneut den Ausgleich nach dem Schlusspfiff hinnehmen.
Rückrundenauftakt in der Kreisliga – durch die Verschiebung des Waltropspiels ging es am vergangenen Samstag im letzten Spiel eines turbulenten Jahres 2021 für den VfL in Hattingen in eine richtungsweisendes Partie zu Beginn der Rückrunde. Keine 48 Stunden nach Anpfiff des Heimspiels gegen Olfen hatten sich die Personalsorgen der Fischer-Sieben erneut verstärkt. Neben diversen Neu- und Altlangzeitverletzten hatten sich auch einige Spieler bereits in den Weihnachtsurlaub verabschiedet, was die ohnehin löchrige Personaldecke zusätzlich ausdünnte. Gern angenommene Hilfe bekam der VfL von Mark Stinn und Jonas Rose aus der Zweiten. Danke dafür – so sieht gelebter Vereinszusammenhalt aus. Sportlich hatte der Gastgeber aus Hattingen aus dem Hinspiel noch eine Rechnung offen. Damals hatten die Bochumer aus einer grandiosen Deckung heraus das Spiel dominiert. So einfach würde das Rückspiel aber nicht werden. Ruhrbogen hatte einige alte Bekannte reaktiviert und konnte sich neben einer gut besetzten Bank auf eine volle Halle als Rückendeckung verlassen. Samstagabend zur Prime Time – eine laute Halle und Mannschaften auf Augenhöhe – beste Bedingungen für ein packendes Handballspiel.
Der Start ins Spiel ist für den VfL katastrophal, die Kiste Zielwasser von Moritz Fiege steht wohl noch am Treffpunkt. Mit druckvollen Angriffen werden klare Wurfchancen herausgespielt, bevor die Recken in den blauen Trikots den Torwart der Gastgeber schon früh auf Betriebstemperatur ballern. Die klarsten Chancen landen nicht im Tor und nur den zahlreichen technischen Fehlern der ebenfalls nervös startenden Hattinger ist es zu verdanken, dass bei der Auszeit, die das Trainergespann Fischer-Stroop nach gut 12 Minuten nimmt, noch nicht alles verloren ist. Bochum liegt mit 7:3 zurück und das hätte gut und gerne noch deutlicher sein können. Trotzdem verliert man kein Handballspiel in den ersten zwölf Minuten und auch das Ergebnis ist schlechter als die Leistung. Der VfL hat seine Nachteile bisher nur auf der Torwartposition und im Abschluss und diesen Qualitätsunterschied wird Hattingen keine 60 Minuten durchhalten. Nach der Auszeit kassiert Bochum zwar das 8:3, kann sich dann aber über 9:5 und 11:7 langsam wieder herankratzen. Ein Time-Out der Gastgeber läutet einen 4:1-Lauf der Gäste ein und beim 12:11 in der 28. Minute werden die Karten nochmal neu gemischt. Insbesondere Mark Stinn auf Rechtsaußen zeigt sich in dieser Phase mutig im Abschluss und treffsicher. Durch einen unglücklichen abgefälschten Ball geht der VfL zwar mit einem 12:14-Rückstand in die Pause, ist aber jetzt die bessere Mannschaft.
In der Kabine ist klar, dass trotz allen Rückstands das Momentum auf der Seite des VfL ist. Trainer Stroop fasst es mit einem „Ich bin nach der Halbzeit viel lieber bei uns in der Kabine als drüben“ sehr gut zusammen. Wie erwartet wird das Spiel kein Selbstläufer, sondern über Konzentration und Kampf entschieden, Kategorien, in denen sich das Team in dieser Saison nichts vorwerfen lassen muss.
In die zweite Hälfte startet der VfL wie von Trainer Rob Fantastic gefordert mit der Gewissheit einer Truppe, die noch etwas gut zu machen hat. Die Deckung schaltet in den in dieser Saison bewährten Maurermeistermodus, insbesondere Chefmaurermeister Patrick dirigiert seine Defensivkolonne jetzt lauter. Hattingen kommt nur zu halbgaren Chancen aus der Entfernung und Bochum knallt das Leder vorne dem Torwart mit der nötigen Konsequenz um die Ohren. Nach 37 Minuten fängt der inzwischen zwischen den Pfosten lauernde Fabi Gohl einen Verzweiflungswurf aus dem Rückraum und als wenige Sekunden später Leo Hardam den Gegenstoß technisch sehenswert verwandelt, führt der VfL mit zwei Toren. Wer jetzt aber mit ruhigem Fahrwasser für den Rest der Partie rechnet, hat die Rechnung ohne den blau-weißen Koch gemacht. Auf der Speisekarte steht alles, was Spaß macht, beide Seiten spielen mit offenem Visier. Hattingen gleicht beim 16:16 aus und geht beim 19:17 und 20:18 sogar mit zwei Hütten in Führung. Bochum gleicht ebenfalls aus und geht mit 20:21 wieder in Führung, Hattingen egalisiert den Vorsprung erneut und 110 Sekunden vor dem Ende drischt Max Birkemeier den Ball von Linksaußen zum 21:22 in die Maschen. Ruhrbogen räumt ab, erzwingt die Entscheidung ebenfalls von Linksaußen und Fabi hat die Finger an der Pille – ganz wichtige Parade. Eine letzte Auszeit 56 Sekunden vor Ende beruhigt die Gemüter noch einmal, bevor der VfL sein handballerisches Schicksal in der eigenen Hand hat. Die in Gelb gekleideten Gastgeber schwirren wie ein Schwarm Wespen in einer Manndeckung aus, um den Gast unter Druck zu setzen und zu einem technischen Fehler zu zwingen. Bochum bleibt beweglich und spielt Alex Cousen gut frei, welcher nach starkem Körperkontakt den Ball verliert – einen Freiwurf hätte diese Abwehraktion sicherlich nach sich ziehen sollen. Hattingen macht Druck, der Halbrechte zieht noch einmal an und die Schiedsrichter pfeifen Siebenmeter mit Ablauf der Zeit. Jeder Drehbuchschreiber wäre verlacht worden, aber so gibt es zum dritten Mal im siebten Spiel einen Siebenmeter als letzte Aktion – der Hauptsponsor 2022-2023 wird der Verband deutscher Herzschrittmacherproduzenten. Der Wurf des treffsicheren Schützen sitzt, Ruhrbogen feiert ein glückliches Unentschieden und der VfL ist wieder einen Punkt los.
Wie so oft in dieser Saison lässt einen die Mannschaft kopfkratzend nach Abpfiff fragen: Was bleibt nach 60 hochspannenden und emotionalen Minuten Handball? Zum einen bedürfen die letzten Spielminuten Aufarbeitung. Auch wenn der VfL sicherlich noch klarer spielen kann, laufen ab der 55. Minute mehrere Entscheidungen der Schiedsrichter, die 50:50 sind, eher für die Gastgeber und auch der finale Siebenmeter ist – wie schon gegen Rauxel – fragwürdig. Obwohl Bochum sich für eine couragierte, wenn auch nicht hochklassige Leistung nur mit einem Punkt belohnen konnte, muss der Blick auf das Positive richten. Mit einer absoluten Rumpftruppe, in der einige Stammspieler verletzt sind, hat die Mannschaft nie aufgesteckt, eine hervorragende Moral bewiesen und ist damit zu Recht seit drei Spielen ungeschlagen. Vor allem der sehr holprige Start konnte die Moral der Mannen um das Startrainerduo Fischer/Stroop nicht brechen. Das Handballjahr 2021 beendet der VfL in der Kreisliga auf dem dritten Platz, punktgleich mit dem BHC, mit dem Anfang 2022 direkt die Derbyklingen gekreuzt werden. Besonders zu erwähnen ist, dass die Bochumer als Aufsteiger außerhalb des ersten Spiels in Waltrop immer mindestens auf Augenhöhe mit dem Gegner waren – beileibe keine Selbstverständlichkeit.
Der Spruch des Tages entfällt heute zugunsten eines Apells an den Handballgott: Keule, das Karmakonto des VfL schlägt in die falsche Richtung aus. Das Spielglück aus dem Thriller gegen den BHC ist aufgebraucht, ein zweiter Punktverlust nach Ablauf der Zeit hätte nicht sein müssen.
Spieler des Spiels wird Debütant Mark, der von Rechtsaußen mit wichtigen Toren zu wichtigen Zeitpunkten zur Stelle war.
Dem VfL einen Punkt in Hattingen erkämpft haben: David Peters (TW), Fabian Gohl (TW), Alex Cousen (3/1), Julius Kirschner (2), Leo Hardam (8/4), Niklas Wilrodt, Patrick Heyer (2), Max Birkemeier (4), Mark Stinn (3), Jonas Rose.
Der VfL wünscht allen Lesern und Anhängern ruhige und erholsame Weihnachtstage und einen guten Rutsch. Der Chronist ist raus, Murmeltiere jagen.