Bochumer HC – VfL Bochum 29:30 (12:12)
Für Fixe: Der VfL Bochum gewinnt einen denkwürdigen Krimi auf Augenhöhe in einem Herzschlagfinale. Die Entscheidung gelingt vier Sekunden vor dem Ende.
Sonntag, der 24. Oktober. Der dritte Kreisligaspieltag führte die erste Herrenmannschaft der Handballer des VfL Bochum knappe 15 Minuten von der Festung im Lohring gen Osten, zum Lokalrivalen Bochumer HC. Vier elend lange Wochen war die letzte Arbeitsprobe des Abwehrbollwerks VfL inzwischen her, eine viel zu lange Pause. Die Zeit seit dem Sieg gegen Ruhrbogen Hattingen hatte die Mannschaft, die heute in Abwesenheit von Rob „Rob 1-100“ Fischer und David „Bomber“ Stroop von VfL-Urgestein Robert Grosche gecoacht wurde, genutzt, um kleinere Wehwehchen auszukurieren und bei diversen angesammelten Festivitäten das Tanzbein zu schwingen. Da Handball aber (auch wegen mangelnder tänzerischer Expertise) das Kerngeschäft der Recken in den schnieken dunkelblauen Trikots ist, überwog die Vorfreude auf zwei Punkte. Die Gastgeber sind alte Bekannte des VfL, war doch die Halle an der Dördelstraße einst Schauplatz jenes Spiels, welches durch die sehr progressive Bestrafung des Schiedsrichtergespanns Mittelmann Lars Sikorski in eine quasi legendäre 1 vs 6 – Situation zwang. In der laufenden Saison steht der BHC nach einem Sieg gegen Ruhrbogen Hattingen noch verlustpunktfrei da, ist aber personell etwas angeschlagen. Lediglich neun Feldspieler standen dem VfL gegenüber, der dank voller Kapelle und 14 Mann genügend Alternativen auf der Bank hatte. Genug der Vorrede, es war angerichtet für ein denkwürdiges Handballspektakel.
Das Spiel startet verhalten, die mangelnde Spielpraxis in der kleinen Liga ist allen Akteuren anzumerken. Sowohl die Gäste als auch die Gastgeber vergeben die ersten halbgar herausgespielten Chancen. Der VfL ist in der Abwehr jedoch direkt präsent, bestimmt mit der ersten Verwarnung für Chefmaurer Patrick Heyer nach 35 Sekunden den Ton und kann durch Tore der heute sehr treffsicheren Außen Max Birkemeier von rechts und Leo Hardam im Gegenstoß die ersten Akzente der Partie setzen. Der in rot spielende BHC kontert direkt und Tore zum 1:2 und 2:3 zeigen, dass das eine ganz enge Kiste wird. In der neunten Minute kochen die Gemüter das erste Mal über. Der Kreisläufer der Gastgeber kommt gegen den mit Volldampf durch die Lücke zwischen Halbrechtem und Mittelblock stoßenden Jannis Frank so klar zu spät, dass nur noch der beherzte Griff in den Wurfarm hilft. Eine klare rote Karte ist die Folge. Den fälligen Siebenmeter verwandelt der VfL zum 5:2, kann den Vorsprung aber nicht halten. Wie im ganzen Spiel wechseln sich im Spiel der Mannschaft von Trainer Grosche in diesen Minuten Licht und Schatten. Im Angriff folgen auf Traumanspiele Fehlpässe über wenige Meter, in der Deckung kann der VfL nur selten in den Maurermeistermodus schalten und auch der Schnapper muss stark gehaltene Gegenstöße mit viel zu einfachen Gegentoren bezahlen. In der Folge verspielt die Gastmannschaft einen Drei-Tore-Vorsprung von 9:12 bis zur Pause und geht zu Recht mit 12:12 in die Kabine.
Durchschnaufen, neu fokussieren. Trainer Grosche merkt mit der Erfahrung von ungefähr allen Handballspielen an, dass nur die eigenen Fehler den VfL heute stoppen können.
Aus der Kabine kommen die Recken in Blau entsprechend konzentriert und können beim 14:17 in der 37. Minute den Gegner auf Abstand halten. Das körperbetonte Abwehrspiel der Gastgeber sorgt jetzt aber für technische Fehler und leichte Ballgewinne des BHC, die diese gut ausspielen. Auch die Abschlüsse werden nicht mehr so klar herausgespielt oder die Schützen scheitern am flinken Torhüter der Gastgeber. In der 51. Minute führt die falsche Bochumer Mannschaft schon mit zwei Toren, in der 55. Minute sogar mit drei. Das 29:26 dreieinhalb MInuten vor dem Ende scheint fast wie eine Vorentscheidung. Der VfL hat aber entschieden was dagegen und stellt die Abwehr um. Eine offensive 4-2-Deckung soll den BHC zu schwierigen Würfen zwingen. Die Rechnung geht auf, die Abwehr provoziert ein cleveres Stürmerfoul, der Torwart kauft dem Linksaußen einen Ball ab und vorne zappeln zwei starke Würfe von der rechten Angriffsseite im Netz. 100 Sekunden nach der Vorentscheidung ist der VfL wieder dran, die Gastgeber nehmen die Auszeit. Aus der Auszeit klaut der Gast den Ball und ist im Gegenstoß nur durch ein Foul zu stoppen, Team Blau spielt das Spiel also in Überzahl zu Ende. Abräumen nach rechts außen und 46 Sekunden vor dem Ende hämmert Max Birkemeier den Ball zum insgesamt achten Tor eines Rechtsaußen in die Maschen. Unentschieden, 29:29. Der nächste, überhastete Abschluss des sonst stark aufspielenden Steinewerfers des BHC geht über den Kasten, der VfL macht das Spiel schnell und acht Sekunden vor dem Ende wird Leo Hardam auf Linksaußen im Wurf abgeräumt. Siebenmeter, die Zeit ist angehalten, Herzschlagfinale.
Das entscheidende Duell des Tages steht an. Eine Mundharmonika krächzt leise, am Himmel kreisen die ersten Geier und der örtliche Totengräber nimmt schonmal Maß, um die Hoffnungen eines der beiden Teams zu begraben. An den Siebenmeterpunkt tritt mit Alex Cousen ein Mann so eiskalt, dass ihm das Blut in den Adern schon vor Jahren durch Frostschutzmittel ersetzt wurde. Ein Pfiff, ein kurzes Zucken im Wurfarm und der Ball segelt für den Torwart unerreichbar ins Tor. Der Pistolenrauch verzieht sich, begleitet von lauten Jubelstürmen begräbt die Mannschaft den Pistolero unter sich, 29:30 VfL.
Meine Fresse, was ein geiles Spiel. Im Gegensatz zur puren Dominanz beim Sieg gegen Ruhrbogen zeigt dieses Stadtderby, warum man den Sport mit der Harzpille einfach lieben muss. Ein durchweg enges und spannendes Spiel krönt der VfL mit einem Endspurt, dessen Schlussstrich in keinem Drehbuch der Welt überlebt hätte. Die Bochumer Mannschaft mit den richtigen Farben überzeugt durch ein intaktes Teamgefüge, starke individuelle Klasse und ist am Ende in den entscheidenden Situationen das entscheidende Quäntchen besser. Besondere Freude kommt bei Neuzugang Ben auf, der gegen sein altes Team auf der Platte stand.
Der Spruch des Spiels ergibt sich heute von selbst: Hier regiert der VfL! Spieler des Spiels wird ohne jeden Zweifel Alex “Magic Magic“ Cousen, dessen Nerven aus Stahlseilen heute zwei wichtige Punkte wert waren.
Die nächste Aufgabe wartet in der Heimfestung am Lohring am 06.11., wenn mit dem TuS Hattingen der ungeschlagene Tabellenführer zu Gast ist. Bleibt bis dahin nur noch eins zu sagen: DERBYSIEGER DERBYSIEGER, HEY HEY!
Für den VfL den Derbysieg geholt haben: David Peters (TW), Fabian Gohl (TW), Alex Cousen (3/2), Benjamin Richert (1), Cedric Fernando Gonzalez (4), Jannik Kocian, Jannis Frank (8), Julius Kirschner, Leo Hardam (8/4), Moritz Wetzel (1), Niklas Willrodt, Patrick Heyer, Torben Aspöck (1), Max Birkemeier (4).