HSC Haltern – Sythen 3 – VfL Bochum 23:23 (16:10)
Für Fixe: Der personell vor allem durch Erfahrung bestechende VfL spielt eine miserable erste Hälfte, reißt sich dann aber am Riemen und kann am Ende einen Moralpunkt mit nach Bochum nehmen.
Im absoluten Endspurt der Saison 23/24 standen für die Recken des VfL Bochum nur noch zwei Spiele auf der Agenda. Nach der kurzfristigen Absage des HSC für das Nachholspiel unter der Woche waren zwar zwei Punkte auf dem Konto der Bochumer gelandet, wirkliche Relevanz hatte das am Wochenende folgende Spiel sportlich aber ohnehin nicht mehr. Die Gastgeber aus Haltern und die Gäste aus Bochum trennten in der Tabelle sechs Punkte und mehr als die goldene Ananas war nicht mehr zu gewinnen. Dafür hatten gerade beim VfL die verlorenen Punkte gegen die zweite Tabellenhälfte gesorgt. Unabhängig von den Voraussetzungen in der Tabelle gebieten aber Sportsgeist und Ehrgeiz, auch ein solches Spiel ernst zu nehmen. Beim HSC aus Haltern erwartete den VfL eine absolute Wundertüte, hatte man doch mehrere Jahre nicht mehr gegen diese Mannschaft gespielt. Trainer Stroop konnte zum Knacken dieser Wundertüte eigentlich auf eine volle Bank zurückgreifen, aber nach den kurzfristigen Absagen von Sebastian Knihs und Lukas Birkhoff stellte sich doch eine etwas dezimierte, dafür sehr erfahrene Truppe auf die Platte, die durch die Verstärkung mit Liam Bartlett aus der zweiten Mannschaft frisches Blut bekam. Der ursprüngliche Plan, mittlerweile laminiert und fein säuberlich in einem VfL-blauen Schnellhefter archiviert, sah immer noch Tempo vor. Das übliche „Gaspedal an der Ölwanne festtackern“ der Spiele mit voller Kapelle musste nur dosierter, kontrollierter eingesetzt werden. Beim Aufwärmen wollte der richtige Funke noch nicht überspringen, Co Lars musste die etwas müden Mannen mit entsprechendem Einsatz munter machen.
So richtig munter geht der VfL aber trotzdem nicht ins Spiel, die erste Halbzeit ist nur deshalb nicht die schlechteste der Saison, weil das Hinspiel gegen Scherlebeck in der Hinsicht nicht zu übertreffen ist. In den ersten Minuten bekommt der Gast aus Bochum keinen nennenswerten Zugriff in der Deckung, kann aber bis zum 7:7 durch Liam Bartlett nach 13 Minuten Schritt halten. Dann ist es die heilige Dreifaltigkeit der Scheiße, die sich der VfL an die harzbewehrten Finger klebt. Zum ersten greift hinter der löchrigen blauen Wand auch Schnapper David Knorr bis zum Ellbogen in den Misthaufen, erwischt rabenschwarze 30 Minuten und kann nicht der gewohnt starke Rückhalt sein. Zum zweiten fängt die gesammelte Mannschaft an, den jungen Torhüter der Gastgeber zum Helden zu schießen. Ball um Ball aus bester Position wird am Tor vorbei oder an die Extremitäten des Halterner Schlussmanns gesemmelt. Als vergammelte Kirsche auf der Torte knickt auch noch Liam Bartlett im Gegenstoß um und muss mit einem dicken Kühlpad auf dem Knöchel hinter der Bank Platz nehmen.
In die Pause geht der VfL mit einem Rückstand von sechs Toren und einem dicken Brocken, an dem erstmal zu knabbern ist. In der Kabine wackeln dann entsprechend auch die Wände. Bisher ist Bochum in Halten, weil da halt ein Handballspiel im Kalender stand. Wirkliche Lust auf den Sport, Bock auf Gewinnen hat noch keiner gezeigt. Gott sein Dank bleiben noch 30 Minuten, um zu beweisen, aus welchem Holz die Truppe geschnitzt ist.
Aus der Pause kommen die Bochumer Jungen deutlich angezündet, Tore von Torben Aspöck und Matthias Plewnia lassen den Vorsprung auf 16:12 schmilzen und als trotz mehrfacher Unterzahl auch der Knorrwart zwischen den Pfosten seine Positionsbeschreibung nochmal eingehend studiert, fällt ihm auf, dass Bälle halten auch dazugehört. Mehrere Paraden gegen die in der ersten Hälfte noch treffsichereren Halben halten den VfL im Spiel, ein Gegentor in zehn Minuten spricht Bände. 17:15, 18:17, 20:19, die Partie wird merklich enger und aus jeder Aktion, aus jeder Pore strömt die Bereitschaft, der Wille, die erste Halbzeit nicht so stehen zu lassen. Dass nicht jede Aktion funktioniert – geschenkt. Aber Bochum ist präsenter, griffiger und kommt jetzt besser in die Entscheidungssituationen. Dort steht immer noch zu häufig der Pfosten und der Torwart von Haltern im Weg, aber die Gastgeber, ebenfalls in Blau-Weiß aufgelaufen, können jetzt keine Distanz mehr schaffen. Auch ein gefühltes Dutzend Alu-Treffer stoppen die Bochumer nicht mehr. Der auf die Zähne beißende und wieder auf die Platte zurückgekehrte Liam Bartlett gleicht zum 21:21, der in seinem vorletzten Spiel in den Farben des VfL mit der gewohnten Dynamik und Durchschlagskraft agierende Julius Kirschner zum 22:22 aus und obwohl Haltern in der 58. Minute zum 23:22 trifft, bleibt das letzte Wort dem Gast aus Bochum vorbehalten. Vorne einen Ball weggeworfen, den hinten direkt wieder erobert und 40 Sekunden vor dem Ende dröhnt die Sirene zur letzten Auszeit. Angesagt wird etwas simples – 40 Sekunden runterspielen, dann Fiege Rechts, dann offene Deckung – Marschrichtung Sieg. Die Uhr von Rechtsaußen Max Birkemeier scheint etwas vorzugehen, 21 Sekunden vor Abpfiff fasst sich der bis dahin glücklose Wart aller Warte ein Herz und stanzt den Ball zum 23:23 in die Maschen. Haltern macht den Ball direkt aus der schnellen Mitte gefährlich, plötzlich steht der Kreisläufer glockenfrei an 6m und ballert die Harzpille an die ausgefahrene Stelze des Knorrwarts. Ein aus dem Abpraller resultierender Freiwurf landet im Block, Bochum erkämpft sich einen Punkt.
Ein Spiel von zwei Halbzeiten. War der VfL in der ersten Halbzeit vor allem im Kopf noch nicht auf der Platte, stimmen in den zweiten 30 Minuten auf einmal Willen und Einsatz. Ehrlicherweise muss dies aber auch der Anspruch der Bochumer sein, denn 16 Gegentore durch einen solchen Gegner sind ebenso nicht hinnehmbar wie die 10 geworfenen Tore der ersten Hälfte. Dass die Mannschaft es schafft, sich in der Pause einer solchen Partie noch einmal neu zu fokussieren, ist trotz der berechtigten Kritik eine Leistung, die man anerkennen muss. Weiter geht es für den VfL im letzten Saisonspiel in der Heimfestung am Lohring zum Derby gegen Teutonia Riemke. Anwurf ist am Samstag um 17:00, Zuschauer sind wie immer gerne gesehen.
Der Spruch des Tages betrifft Altmeister und Kassenwart Paul, der vor der Halle im Kreise der Mannschaft auf eine mögliche Strafe verzichtet: Paul wird altersmilde.
Spieler des Spiels wird – auf seiner Abschiedstournee nach 10 Jahren VfL – Rückraumkanone Julius, dem schwarze Locken und goldene Krone von Tag zu Tag besser stehen.
Für den VfL die Kurve geradeso gekratzt haben: David Knorr (TW), Max Birkemeier (2), Julius Kirschner (6), Dejan Sebesic, Lars Sikorski (2/1), Gordon Kempkes, Paul Ruppersberger, Liam Bartlett (3), Matthias Plewnia (7), Jannik Kocian, Torben Aspöck (3).