VfL Bochum – FC Schalke 04 22:22 (11:7)
Für Fixe: Der VfL spielt 54 Minuten bärenstark, macht am Ende VfL-Dinge und muss den Gästen aus Schalke einen Punkt schenken.
Endlich fliegt sie wieder, die in der Heimhalle in Wiemelhausen nicht so harzige Pille. Das erste Rückrundenspiel in der Kreisklasse war gleichzeitig durch die kurzfristigen Absagen von Haltern und Riemke in der Adventszeit auch das erste Wettkampfspiel seit der knappen Niederlage in Gladbeck vor knapp acht Wochen. Die Mannschaft war motiviert, hatte sich den Weihnachtsspeck in intensiven Trainingseinheiten gemeinschaftlich von der Wampe geschwitzt und wollte die zahlreichen Silvesterknaller jetzt durch Feuerwerk auf der Platte ersetzen. Als Spielverderber hatten sich die Knappen des FC Schalke 04 angekündigt. Schalke ist eine Truppe, die in den letzten Jahren immer auf Augenhöhe mit den Bochumern war, hatte der Mitabsteiger gegen den VfL doch in der letzten Saison zweimal die Punkte geteilt. Nur im Hinspiel dieser Saison hatte die Stroop-Sieben ein Plastikmesser für Kleinkinder zu einer großkalibrigen Schießerei mitgebracht und wurde böse aus der Halle geballert. Ein extra-krosses Hühnchen vom Spieß in Größe XXL, frisch zubereitet von Fritteusen-Erwin – Größe XXXL – im Fritten-Express Gelsenkirchen-Buer, war also zu rupfen. Personell konnte das Trainerteam da trotz der Abwesenheiten der Langzeitverletzten aus dem Vollen schöpfen. Eine Bombenleistung der B-Jugend direkt vor dem Anpfiff sollte auch der letzten Schlafmütze zu verstehen geben, dass heute die Musik nur in VfL-Farben spielt. Letzte aufrüttelnde Worte und rein geht’s in ein wildes Spiel.
Bochum kommt etwas behäbig aus den Startlöchern, die lange Pause merkt man den Spielern an und nach zwei technischen Fehlern netzt der spielstarke Halbrechte der Gäste zum ersten Mal. Eine starke Deckung und ein wacher Knorrwart zwischen den Pfosten drehen das Spiel aber umgehend zu einem 4:1 nach neun Minuten. Die großzügige Linie der Schiedsrichter erlaubt beiden Mannschaften ein sehr körperliches Spiel mit präsenten Abwehrreihen oder um es pott-typisch zu umschreiben: Dat sind beides keine Kinners von Traurigkeit, die tapezieren sich inne Abwehr ordentlich das Esszimmer neu. Der VfL geht der Eins-gegen-eins-starken Angriffsreihe der Schalker mit frühem Körperkontakt und harter Gangart so richtig auf den Sack und zwingt sie so zu ungünstigen Wurfpositionen, die gerade von Außen heute sichere Beute des Schnappers sind. Vorne sind es nur die eigenen Fehler und überhasteten Abschlüsse, die eine klarere Führung verhindern. Trotzdem kann der Gastgeber über 6:3 in der 14. Minute und 10:6 nach 24 Minuten mit 11:7 in die Pause gehen.
In der Kabine ist die Marschrichtung klar. Die erste Halbzeit war stark, aber in der zweiten wird sich der Gast auf die Linie der Schiedsrichter besser einstellen. In den zweiten 30 Minuten wird es ein richtiges Schweinespiel werden.
Die Glaskugel im Pausentee-Service des VfL war anscheinend noch nicht poliert, denn statt eines intensiven Kampfes zieht Schalke erstmal das Tempospiel auf, trifft durch den lokalen Gidsel-Verschnitt auf Halblinks drei Mal in zwei Minuten und klopft beim 11:10 mal freundlich beim VfL an, Bezugnahme Auswärtssieg. Ungünstigerweise für die Knappen ist das Sekretariat der Gastgeber leider nicht besetzt, die sind nämlich in Person von Zauberfranken Jonas Knaust und Mottek Matthias Plewnia gerade etwas ausgelastet, unter freundlicher Mithilfe von Julius Kirschner den alten Abstand beim 14:10 wiederherzustellen und beim 15:10 sogar zu vergrößern. Jede Annäherung der Schalker wird mit einem eigenen Bochumer Treffer belohnt und als Kreisläufer Torben Aspöck den Ball erst artistisch fängt und dann in die Maschen schweißt, scheint beim 22:18 vier Minuten vor dem Ende das Huhn gerupft.
Wer das glaubt, ist jedoch beim Handball generell und beim VfL im speziellen verkehrt. Nicht spannende Spiele kann Bochum in keine Richtung. Drei Minuten und acht Sekunden vor Ende erweist der bis dahin stark aufspielende David Knorr seiner Mannschaft einen Bärendienst, indem er sich erst durch den Wurf des ansonsten blassen Linksaußen der Gäste einen neuen Scheitel samt Gegentor ziehen lässt und direkt im Anschluss den Schiedsrichter unbedingt nach seiner detaillierten Meinung fragen muss. Zur Belohnung darf der Schnapper zwei Minuten Diskurs auf der Bank führen. In Unterzahl und beim Stand von 22:20 spielt das Heimteam die Uhr gut herunter, nur der entscheidende Freiwurf streichelt sanft am Außenpfosten vorbei. Schalke bekommt den Ball und stellt mit 19 Sekunden auf der Uhr auf 22:21. Die letzten Sekunden zerrinnen zu einer unendlichen Qual für die Bochumer, sind aber schnell beschrieben. Fehlpass, Gegentor, Unentschieden, Scheiße.
Der Gast aus der Nachbarstadt gleicht mit der letzten Sekunde aus.
Nach einem solchen Spielverlauf ist das zweifelsohne ein verlorener Punkt. Wer mit knapp fünf Minuten noch mit vier Toren führt, darf ein solches Spiel niemals verlieren. Auch den Anspruch, solche Spiele im Kopf wacher und konsequenter zu Ende zu bringen, muss der VfL haben. Trotzdem haben wir alle mal Kacke an der Hacke, Fehler passieren und am eigenen Anspruch so knapp zu scheitern kann auch charakterbildend sein. Das gilt aber nur, wenn das Team richtige Schlüsse zieht und nicht destruktiv gegen das zweifelsohne vorhandene Können arbeitet. Niedermachen müssen wir uns nicht, gemeinsam besser werden wir jede Woche.
Unterm Strich bleibt bei allem Frust und Tadel auch, dass Bochum die individuell starken und vor allem schnellen Schalker nur sehr punktuell in ein geordnetes Tempospiel kommen lässt, nur 22 Gegentore kassiert und mit neun Torschützen einen variablen Angriff mit der Last auf mehreren Schultern stellt. Es sind also die alten Floskeln, die hier bemüht werden müssen. Mund abputzen, weiter geht’s, auch wenn mehr drin war. Nächste Woche gibt es im Auswärtsspiel in Bommern die nächste Chance, sich zu beweisen.
Spieler des Spiels wird Roman, der nicht nur mit 5 Toren glänzt, sondern auch beweist, dass er entgegen allen Vermutungen doch grade in eine vorhandene Lücke stoßen kann.
Den Spruch des Tages liefert Zauberfranke Jonas in astreinem Hochdeutsch mit nur leichten Anleihen an die Heyersche Grammatikunwucht: Einsicht ist der erste Weg zur Besserung.
Nach dem Spiel der Damen im Anschluss verdrückt die Mannschaft nicht nur genug Familienpizzen für ein kleines Dorf, sondern auch das ein oder andere Tränchen. Flemming Hensen, der Mann, dessen Name so perfekt zu einem Protagonisten eines Mangas über einen skandinavischen Austauschhandballer in Japan passt, tauscht schmackhaftestes Fiege Pils gegen deutlich ungesunderes Lübecker Marzipan und orientiert sich familiär und beruflich bedingt wieder gen Polarkreis. Das Nordlicht mit nur einer Wurfbewegung und einem Gesichtsausdruck auf dem Platz erzielt in 18 Spielen 54 Tore für die Mannen im Dunkelblaumann und bricht die blau-weißen Zelte nach knapp einer Saison wieder ab. Neben einer Lücke auf Halbrechts hinterlässt Flemming, neben dem Platz ein geselliger und im norddeutschen Understatement herzlicher Mensch eine deutlich größere Lücke als die ohnehin schon ordentlich sportliche. Der Verein und die Mannschaft verabschieden den Besitzer des gemeinsten Gegendrehers im Schatten der Fiege-Brauerei mit der passenden Verpflegung und Bekleidung und haben bereits die Fühler nach möglichen Beachhandballturnieren, Brauereitouren und anderen möglichen Mannschaftsfahrtzielen in und um Lübeck ausgestreckt.
Flemming, hat Spaß gemacht, Holl di! Holl de Ohren stiev! Maak ‚t good.
Zum Unentschieden gegen die Schalker geackert haben sich: David Knorr (TW), Fabi Gohl (TW), Max Birkemeier (1), Mark Stinn, Lars Sikorski (1), Dejan Sebesic (2), Roman Saure (5), Matthias Plewnia (3), Torben Aspöck (3), Jonas Knaust (1), Leo Hardam (2), Gordon Kempkes, Niklas Willrodt, Julius Kirschner (4).