Ruhrbogen Hattingen – VfL Bochum 35:25 (16:13)
Für Fixe: Der VfL kann nur kurze Zeit seine Stärke zeigen, verliert nach der Pause den Faden und wird vom Tempospiel der Hattinger überrannt.
Nach der happigen Niederlage gegen einen starken Tabellenführer in Herne zog es die personell wieder leicht veränderte Bochumer Bande am vergangenen Wochenende nach Hattingen, wo mit dem Gastgeber Ruhrbogen Hattingen ein Gegner wartete, der deutlich mehr der Kragenweite des VfL entsprechen sollte. Im Hinspiel hatte Schnapper Fabi Gohl den Bochumern nach zwei roten Karten mit einer Parade in der letzten Sekunde einen Punkt gesichert, ein Spiel auf Augenhöhe war also zu erwarten. Ein Blick auf die Tabelle zeigt, dass das Momentum, was sich der VfL mit 5 Punkten aus drei Spielen zu Jahresbeginn erarbeitet hatte, in den vergangenen Klopperwochen knappe Niederlage für knappe Niederlage versickert ist. Personell konnte Trainer Sikorski, in krankheitsbedingter Abwesenheit seines Trainerkollegen Stroop, einige Rückkehrer begrüßen. Kapitän Jannik Kocian hatte in monatelanger Kleinarbeit die Lego-Gliedmaßen repariert und sortiert und kehrte auf die Brücke zurück. Zusammen mit den ebenfalls auskurierten Julius Kirschner und Patrick Heyer kehrten Alternativen für den Rückraum zurück. Auch das Torhüterduo Knorr-Gohl war wieder mit von der Partie. Die Ansage war also klar: Wach sein, Tempo machen und hinten solide stehen.
Ins Spiel startet Bochum aber genau umgekehrt. Leichte Fehler und langsames Rückzugsverhalten bestraft Hattingen schnell und setzt sich durch eine konsequente schnelle Mitte und zweite Welle mit 5:1 nach gerade einmal fünf Minuten ab. Der Fokus auf ein gut funktionierendes Kreisläuferspiel, eine engagiertere und beweglichere Deckung und das phasenweise Aufblitzen einer Torwartleistung von Schnapper David Knorr bringt den VfL beim 6:5 wieder heran und zwingt Ruhrbogen zu einer ersten Auszeit. Aus der kommt trotzdem Bochum besser, geht mit 6:7 in Führung und kann bis zum 11:11 durch Niklas Willrodt das Spiel komplett offenhalten. Dann schleicht der Schlendrian auf leisen Sohlen wieder ins Bochumer Spiel, die letzten acht Minuten der Halbzeit sind von einer kollektiven Behäbigkeit geprägt, durch die sich der Gastgeber bis zur Pause mit 16:13 absetzen kann.
In der Kabine wird angesprochen, dass sich die fünfte bis 25. Minute sehen lassen konnte. Der Fokus aufs Spiel, eine ordentliche Rückzugsbewegung und klare Konzepte im Angriff würden in der zweiten Halbzeit entscheidend sein.
Mit Beginn der zweiten 30 Minuten ist nicht klar, ob der Trainer genuschelt hatte oder die Mannschaft die Anweisungen zu den Ersatztrikots in der Kabine gelegt hatte. Sechs Minuten und 46 Sekunden genügen nach Wiederanpfiff, um ein Handballspiel herzuschenken. In diesen sechs Minuten nimmt sich das Team kollektiv eine Auszeit, spielt fahrig, unkonzentriert und kassiert als logische Folge sieben schnelle Gegentore ohne einzigen eigenen Treffer. Beim 23:13 kann nicht einmal die Sirene zum Timeout die in Blau spielenden Bochumer aufrütteln. Über die letzten zwanzig Minuten der Partie ist wenig zu erzählen. Immer, wenn eine gute Aktion vorne oder hinten gelingt, verspielt der VfL das gewonnene Momentum wieder. Technische Fehler, überhastete Abschlüsse oder zu einfache Gegentore – alle auf dem Spielbericht stehenden Recken sind von der Rolle und bringen ihre Qualität nicht auf die Platte. Am Ende gefühlt zu hoch, aber leistungsgerecht geht es mit 35:25 zu Ende.
Puh, das war happig. Die Gastgeber aus Hattingen werden ihren gelben Trikots gerecht und schwirren nach jedem Ballgewinn oder Gegentor über das Spielfeld. Eine angemessene Reaktion auf dieses Umschaltspiel hat der VfL heute komplett vermissen lassen. Kombiniert mit aufkommendem Frust über Ball, Schiedsrichter und die allgemeine Ungerechtigkeit des Lebens – der Chronist geht leider mit unschönem Beispiel voran – verabschieden sich erst Konzentration und Fokus auf das eigene Spiel und direkt danach zwei Auswärtspunkte die sanften Wellen der Ruhr herunter. Was lässt sich aus einem solchen Spiel mitnehmen? Neben der reinen sportlichen Perspektive ist es vor allem der Kopf, der am nächsten Wochenende wieder mitspielen muss. Die kommende Woche wird zeigen, ob die Mannschaft die zwei deutlichen Niederlagen mit einem resignierten und widerstandslosen Schulterzucken hinnimmt oder Moral beweist und im Heimspiel gegen Beckhausen aus Trainingsschweiß und gemeinsamem, eisernen Willen eine Antwort schmiedet. Wer den VfL kennt, kann sich das erste allerdings kaum vorstellen. Es geht schließlich nicht darum, wie oft man fällt, sondern darum, wieder aufzustehen.
Um das Fiege-Krönchen wieder geradezurücken und als Beweis, dass neben Ritualen wie dem Spieler des Spiels und in das kollektive Bewusstsein des Teams eingegangenen Aktionen wie dem Kocian’schen eingesprungenen Kapitänsdurchbruch zwischen Mittelblock und Halbem auch andere Bochumer Institutionen nichts von ihrem Reiz verloren haben, trieb es Teile der Mannschaft des Abends noch in den sicheren Hafen des Hauses Fey, um die durch Schweiß geleerten Mineralreserven durch den vorschriftsmäßigen Verzehr isotonischer Kaltgetränke wieder zu füllen.
Der Spruch des Tages kommt von Außenflitzer Matthi, der die Zielgenauigkeit der Bochumer auf die Nasen der gegnerischen Torhüter einfach begründet: Von Außen darfst du nicht hoch werfen. Da oben ist immer Gesicht dabei.
Spieler des Spiels wird das ehemals lädierte Knie von Rückkehrer Patrick Heyer, der durch dunkle Rituale und das Verkaufen seiner Seele an Rheinhausener Stahlschmiede nur zwei Wochen nach einer Meniskus-OP wieder die Harzpille fliegen lassen kann.
Für den VfL ins Ruhrtal gegurkt sind: David Knorr (TW), Fabi Gohl (TW), Jannik Kocian, Julius Kirschner, Lars Sikorski (2), Leo Hardam (5/2), Niklas Willrodt (3), Patrick Heyer (3), Paul Ruppersberger (1), Max Birkemeier (3), Matthias Plewnia (3), Sebastian Knihs (3), Flemming Hensen (1), Gordom Kempkes (1), Pascal Piemöller.