FC Schalke 04 – VfL Bochum 22:22 (12:11)
Für Fixe: Schalke und Bochum trennen sich im Revierderby leistungsgerecht Unentschieden. Nach katastrophalem Start kämpft sich der VfL zurück in die Partie und beweist am Ende besondere Moral.
Während in der großen Turnhalle mit dem Schiebedach S04 und der VfL mit einem viel zu großen Ball und bei ungemütlichem Herbstwetter das unwichtige Revierderby ausspielen, haben sich die Männer mit dem klar besseren Aussehen und zudem mehr Fingerspitzengefühl im weniger als sieben Kilometer entfernten Sportzentrum Schürenkamp zum zweiten Spieltag der Kreisliga getroffen. Hatten sich die Bochumer vor Jahren hier einmal eine fiese Klatsche abgeholt, sind die Gastgeber inzwischen wieder ein Team der Marke „Wundertüte“. Das Duell Königsblau gegen Flutlichtblau war für beide Trainer eine undurchsichtige Angelegenheit, hatten doch beide Teams zwar das erste Saisonspiel gewonnen, aber die Aussagekraft dieses Ergebnisses war naturgemäß begrenzt. Die Mannschaft von Trainer Stroop konnte personell fast aus dem Vollen schöpfen, lediglich Rückraumkanonier Julius hatte sich aus privaten Gründen entschuldigt. Die Gastgeber aus Schalke konnten ebenfalls eine gut gefüllte Bank vorweisen, bei der auf den ersten Blick aber keine Spieler besonders hervorstachen. Die Devise der Bochumer lautete also, den Gegner in einer soliden 6-0-Deckung zu erwarten und vorne mit einfachen Auftakthandlungen dem Spiel den Stempel aufzudrücken. Unter den Augen und der Kameralinse vom als Karl Kolumna verkleideten Mark Stinn geht es auf der Platte los.
Eins vorneweg: Der Ball, jene treulose Geliebte, die die Recken des VfL letzte Woche noch so zärtlich ins Tor gestreichelt hatten, zeigt sich heute im umfassenden Gewand aus klebrigem Harz deutlich widerspenstiger. Das Spiel beginnt unansehnlich, beide Mannschaften präsentieren sich nervös, technische Fehler und unvorbereitete Abschlüsse prägen die ersten Minuten. Schalke kann in der siebten Minute mit dem 2:1 erstmals in Führung gehen und bringt die Gäste, heute in orangenen Leibchen, damit komplett aus der Fassung. Über knallhart bestrafte Fehler und unvorbereitete Abschlüsse kann der im standesgemäßen Königsblau aufgelaufene Gastgeber durch gutes Umschaltspiel den Vorsprung auf vier Tore ausbauen, die sonst so starke 6:0-Deckung findet gegen das Kreisläuferspiel der Schalker wenige Lösungen. In dieser frühen, aber schon kritischen Phase kann sich die Mannschaft auf Linksaußen Max Birkemeier verlassen, der zwischen der sechsten und zwanzigsten Minute vier von fünf Bochumer Hütten kompromisslos ins Tor zimmert und den VfL damit in Schlagdistanz hält. Über 9:4 robbt die Gastmannschaft sich mit einer stark verbesserten Deckung auf 9:6 heran und auch eine Auszeit des Schalker Trainers unterbricht den Lauf nur kurz. Beim 10:8 ist Bochum in Schlagdistanz und durch eine dreifache Überzahl in den letzten Minuten verkürzt der VfL auf ein Törchen. 12:11 – Durchschnaufen.
In der Kabine zeigen sich die Recken kämpferisch. Ein solcher Katastrophenstart, keine gute Trefferquote und trotzdem trennt beide Mannschaften nur ein mickriges Törchen. In der zweiten Halbzeit wird es der Wille zum Sieg sein, der der abgezockteren Mannschaft die Punkte sichert. Beim Rausgehen gibt Patrick Heyer mit dem Spruch des Tages die Devise für Halbzeit Zwei aus: Die sind lauwarm, wir sind heiß. Auf geht’s, Bochum!
Nach 10 Minuten Durchatmen beginnt eine zweite Halbzeit, den Kardiologen in und um Gelsenkirchen gut gefüllte Wartezimmer bereiten sollte. Der VfL kann mit dem ersten Tor nach dem Wiederanpfiff ausgleichen und eröffnet damit 30 Minuten, in denen es stetig hin und her wogt. Schalke zieht auf zwei Buden davon, Bochum gleicht aus und geht sogar in Führung. Schalke zieht wieder auf zwei Tore weg, Bochum gleicht aus und geht in Führung. Immer, wenn der VfL sich hinten den Ball erkämpft und dem Spiel so richtig eine neue Richtung geben könnte, schmeißen die Bochumer den Ball weg oder scheitern am starken Torhüter der Gastgeber. Knapp vier Minuten vor Ende scheint das Pendel zugunsten der Schalker auszuschlagen, der Rechtsaußen zaubert einen Heber über den nur knapp zwei Meter großen Schnapper der Bochumer ins Tor und bringt seine Farben zwei Tore in Führung. Zur dröhnenden Sirene des Timeouts jubelt S04 schon wie der sichere Sieger, aber Handballspiele dauern bekanntlich 60 Minuten. Die Tröte zum Ende der Auszeit läutet ein Herzschlagfinale ein. Linksaußen Max knallt die x-te Delle in den Innenpfosten und hinten kassiert der VfL 130 Sekunden vor Ende das Gegentor zum 22:20. Schwamm drüber, Angriff spielen. Der Ball läuft flüssig, dem in die freie Lücke stoßenden Bochumer wird von der Abwehr unsanft der Abschluss verwehrt, Siebenmeter. Den schweißt Max humorlos zu seinem neunten Treffer ein, jetzt gilt es hinten. In der Abwehr rührt Bochum Beton an, gewinnt den Ball und nach einem erneuten Siebenmeterpfiff nagelt erneut Max den Ball zum 22:22 ins Tor. 45 Sekunden kämpfen, ackern, die berühmte blaue Wand mauern. Wenige Sekunden vor dem Ende landet ein Steckpass nicht beim königsblauen Kreisläufer, sondern im Kreis. Der schnelle Gegenstoßpass findet Matthias Plewnia auf Rechtsaußen, dessen Abschluss vom Schlusspfiff unterbrochen wird, Punkteteilung.
Königsblau und Flutlichtblau trennen sich in einem nicht hochklassigen, aber spannenden Kampfspiel Unentschieden. Eine sportliche Einordnung ist schwierig, ging doch zeitweise alles schief, was schiefgehen konnte. Ein starker Torwart der Schalker und gefühlte 4,92 kg Harz am Ball zogen den Bochumern zu Beginn des Spiels fast den Zahn, doch der VfL bewies Moral und arbeitete sich selbst aus dem Sumpf. Auch die Schlussphase ist bemerkenswert. In der letzten Saison wäre der letzte Siebenmeter in den Fängen des Torwarts gelandet und Bochum hätte wenige Sekunden vor Ende das finale Gegentor zum 23:21 kassiert, das Spiel also knapp verloren. In dieser Saison geht so ein Schweinespiel dann aber eben Unentschieden aus, weil die Mannschaft von Trainer Stroop sich wirklich als Mannschaft präsentiert. Absoluter Siegeswille, Fokus auf das Handballspiel und in den letzten Jahren gewachsenes Vertrauen in den Nebenmann sorgen dafür, dass das Spiel zu keinem Zeitpunkt verloren war. Die Rückkehr von gestandenen Spielern wie Kapitän Jannik Kocian oder Cotrainer Lars Sikorski gibt in der Crunchtime nochmal wertvolle Optionen. Bochum beginnt das Spiel mit dem besseren Sportsgruß und beendet den Tag mit dem besseren Bier. Nachhaltig beeindruckt von Angela Merkels Pistolenex mit einem Fiegestubbi gilt für das Bochumer Team, was sein Revierderby nicht verloren hat: Nach zwei Spielen ungeschlagen. Nächsten Samstag geht es endlich in die Heimfestung am Lohring, wo mit Suderwich ein anderes Kaliber warten könnte.
Spieler des Spiels wird quasi einstimmig Max, der durch seine Wurfgewalt und Präzision dem Schalker Torhüter nachhaltig im Gedächtnis bleiben dürfte.
Für den VfL Intensität und Moral in die Waagschale geworfen haben: David Knorr (TW), Max Birkemeier (10/4), Patrick Heyer (2), Alex Cousen (2), Lars Sikorski, Matthias Plewnia (1), Jannik Kocian, Torben Aspöck, Leo Hardam (4/1), Leonhard Thömmes, Ben Richert (2), Niklas Willrodt (2).