VfL Bochum – TuS Hattingen 3 25:33 (13:11)
Für Fixe: Der VfL muss nach einer bärenstarken ersten Hälfte in der zweiten Halbzeit der Erfahrung der Gäste aus Hattingen Tribut zollen und verliert am Ende klar.
Der nächste Stopp in der Abschiedstournee der Helden der Harzpille, dieses Mal wieder auf bewährtem Geläuf im Lohring. Als Sparringspartner hatte sich mit dem TuS Hattingen ein Gegner angekündigt, der in den letzten Jahren regelmäßig ein Regalbrett zu hoch für die Bochumer gewesen war. Trotz knapper Spiele wie dem 27:31 aus der Vorsaison oder dem 38:34 aus der Hinrunde hatte sich die erfahrene und abgeklärte Spielweise der Altinternationalen des TuS als zu harter Brocken erwiesen. Personell hatte das Trainerteam kräftig am leicht schief hängenden Spielerkarussell mit der etwas abblätternden blau-weißen Lackierung gedreht und eine bunte Mischung aus dem Hut gezaubert. Mit Julius Kirschner, Leo Hardam und Roman Saure fehlte erneut Tempo auf den Außenbahnen Durchschlagskraft aus dem Rückraum. Da Gian-Luca Nunes Vetra ein Immunsystem nebenher noch eher optional fand, wurde neben Rückkehrer Flemming Hensen auch Rückraumdynamo Gordon Kempkes verpflichtet, dessen dauerhafte Aufnahme in den Mannschaftskreis der ersten Mannschaft in der kommenden Saison noch im Fiege-Pils-gefüllten Verhandlungsnirvana zwischen erster und dritter Mannschaft steckt. Die Bank gut gefüllt, die Tribüne ebenfalls, es war angerichtet für ein Handballspiel, in dem für das Heimteam das Zusammenspiel und der Spaß am Sport eindeutig im Vordergrund stehen. Gutes Wetter, eine starke Partie der zweiten Mannschaft als Ansporn direkt vor dem Spiel und eine Anwurfzeit aus der Kategorie „Alles kann, nichts muss“. Noch einmal kurz Luft auf die Pille, die getapten Finger in den halbleeren Harztopf graben und los geht’s.
Bochum darf sich zuerst im Angriff versuchen, ist vorne in den ersten fünf Minuten aber zu hektisch. Lediglich ein Rückraumkracher von Patrick Heyer zappelt im Netz, häufiger landen Pässe in den Fingern der Hattinger Abwehr. Dafür steht die Deckung direkt bombenfest. Beweglich, unangenehm zu spielen und mit körperlicher Härte zwingt sie die Gäste in unangenehme Wurfsituationen. Hinter der blauen Wand findet Knorrwart David gut ins Spiel, bekommt früh die Finger an den Ball und kauft beim Stand von 1:3 dem Linksaußen aus Hattingen einen Gegenstoß ab. Initialzündung für einen 3:0-Lauf der Gastgeber, die vorne jetzt konsequenter auf die Lücken stoßen und mit Zeitstrafen und Strafwürfen belohnt werden. Nach zehn Minuten steht es 4:4, ein intensives und spannendes Spiel entspinnt sich, in dem der in rot aufgelaufenen TuS jetzt wieder die Nase vorn hat und sich auf 5:8 absetzen kann. Eine gut getimte Auszeit von der Bochumer Bank rückt zurecht, was leicht verschoben war, der VfL kommt wieder heran. Den Ausgleich zum 8:8 übernimmt Kapitän Jannik Kocian selbst in die Hand, wirft er doch nach eigener Aussage „einfach dahin, wo der Torwart nicht war“. Handball kann so einfach sein. In den Minuten vor der Pause trifft der Gast zwar noch zum 8:9, dann aber beginnen die fünfminütigen Flemming-Festspiele. Bochums Nordlicht schultert die Verantwortung, trifft dreimal selbst, setzt noch einmal Wühlmaus Matthi auf Rechtsaußen ein und sorgt so für eine 13:11-Pausenführung.
Mit dem Pausenpfiff kommt nochmal ordentlich Feuer in die Suppe. Mark Stinn wird nach einem Kampf um den Ball – den er gewinnt – vom Ochsen am Kreis der Hattinger unsanft auf den Boden der Tatsachen geholt, die Gemüter kochen hoch. In der Kabine, in die Teile der Mannschaft aufgebracht gezerrt werden müssen, wird genau diese Situation aufgenommen. Hattingen wird die Daumenschrauben anziehen, härter und dreckiger spielen. Es ist an dem VfL, diesen Kampf anzunehmen.
Bevor es in die zweite Halbzeit geht, Bühne frei für die Quizfrage des Tages (die ob der Überschrift etwas sinnbefreit daherkommt): Wie präsentiert sich die Stroop-Sieben in Halbzeit Zwei? Wird sie a) das Gaspedal mit Elan an der Ölwanne festschrauben und Hattingen aus der Halle ballern, b) in einem knappen Spiel der Erfahrung der Gäste unterliegen oder c) den Faden verlieren, hektisch werden und in Durchgang Zwo auf die Moppe kriegen?
Für all jene, die c) genommen haben – herzlichen Glückwunsch, sie haben 100 blau-weiße Gummipunkte gewonnen. Leider bestätigt sich, was sich im Saisonverlauf schon angedeutet hat. Für ein starkes Spiel über 60 Minuten braucht der VfL einen Sahnetag, sonst reicht die Puste nur für 30-45 Minuten. Diesen Sahnetag hat der Gastgeber gegen Hattingen nicht und kann gegen die 5-1-Deckung der Gäste nach dem Wiederanpfiff nur selten die Lücken reißen, die für konsequente Abschlüsse notwendig sind. Beim 16:18 nach 42 Minuten durch Torben Aspöck ist der VfL noch komplett in Schlagdistanz, aber als in der 45. Minute Trainer David Stroop die grüne Timeout-Karte auf den Zeitnehmertisch klatscht, sind es bereits fünf Tore Rückstand. Bis zum bitteren Ende zeigt Hattingen jetzt alle Erfahrung, nutzt die immer größer werdenden Lücken in der Deckung und macht in der zweiten Halbzeit geschmeidige 22 Tore. Zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass die Bochumer Schnapper ihre starke Leistung aus der ersten Halbzeit nicht bestätigen können. Die letzten zwei Tore des VfL sind längst nur noch Ergebniskosmetik, am Ende steht ein 25:33 auf der Anzeigentafel.
Unterm Strich gewinnt der Gast aus Hattingen die Partie verdient, kann doch der VfL seine gute erste Halbzeit in keinster Weise bestätigen. Ein Spiel, was für den Saisonverlauf steht wie kaum ein anderes. In der ersten Halbzeit beißt sich der VfL ins Spiel, zeigt eine ansprechende Leistung und führt knapp. Nach der Pause fehlt aber die Intensität, die Wechselmöglichkeiten und die Puste, um die Leistung durchzuhalten. Am Ende ist (mal wieder) sportlich wenig zu holen. Bleiben noch zwei Spiele, um zumindest einen annehmbaren Saisonabschluss hinzulegen. Dafür geht es am kommenden Samstag in Recklinghausen gegen den PSV. Das Hinspiel hatte Bochum – wie so viele – knapp verloren.
Der Spruch des Tages kommt von Weisheitenfeuerwerk Fabi Gohl: Der Ball lügt nicht. Auch eine gute Zusammenfassung für Spiel und Saison.
Spieler des Spiels wird Flemming, der neben vier Toren auch dringend benötigte Dynamik auf den Platz bringt. Kommisarisch seine Tüte mit Geschenken übernimmt der Zweitplatzierte Mark Stinn, der sich auch direkt um die Sicherung der enthaltenen Getränke kümmert. Trotz aller Bemühungen muss der Deckel einer Flasche Minztee mit homöopathischen Alkoholmengen dran glauben, bisschen Verschnitt ist ja immer.
Für den VfL nach dem Spiel noch den Lohring geschrubbt haben: David Knorr (TW), Fabi Gohl (TW), Jannik Kocian (2), Lars Sikorski (3), Patrick Heyer (2), Paul Ruppersberger (1), Torben Aspöck (2), Max Birkemeier (1/1), Mark Stinn (3), Matthias Plewnia (2), Sebastian Knihs (3), Flemming Hensen (4), Gordon Kempkes (2).