Teutonia Riemke III – Vfl Bochum 15:21 (8:9)
Das Fiege-Derby, das U-35-Derby, das Auswärtsspiel gegen die Menschen mit dem richtigen Bier, aber der falschen Trikotfarbe. Das Duell des VfL Bochum bei der Drittvertretung des SV Teutonia Riemke hatte im Vorfeld des Sonntagabends viele Namen erhalten, versprach aber auch Spannung pur. Neben der Nähe – die Böll-Halle und die Bochumer Heimfestung am Lohring trennen lediglich 2,2 km Luftlinie Entfernung – hatte auch die Vergangenheit zwischen diesen beiden Mannschaften immer wieder knappe und umkämpfte Spiele hervorgebracht. Ins Gedächtnis gerufen seien neben dem haarscharfen Sieg des VfL aus dem Vorjahr auch das Spiel in Riemke aus der Saison 16/17, in dem Ponz in Blau-Weiß in der letzten Spielsekunde nur Millimeter am Ausgleich vorbeiballerte. Zusätzliche Brisanz in ein waschechtes Stadtduell, welches außerhalb des Platzes durch eine generell freundschaftliche Atmosphäre überzeugen kann, brachte auch die Tabellensituation. So trennte die Mannschaften vor dem Anwurf nur ein mickriges Pünktchen. Die Vorzeichen waren somit klar. Sollte die Fischer-Sieben beide Punkte beim Stadtteilvertreter entführen können, so wäre ein vorsichtiger Blick nach oben in der Tabelle erlaubt. Verlöre Bochum, würde man als graue Maus im Niemandsland versinken. Im Vergleich zur Vorwoche hatte sich die Personalsituation wieder leicht entspannt – Patrick war im rechten Rückraum wieder dabei, sodass aus der zweiten Mannschaft lediglich Tim (zwangs-) rekrutiert wurde. Danke Tim!
Die spannende Ausgangslage kondensierte sich in einem intensiven, knallharten Warmmachprogramm, untermauert von den wummernden Bässen der Lautsprecher in der Halle. Als Kontrastprogramm darauf der Fokus in der Kabine – Durchatmen, Kraft tanken, Fokussieren. Diese Ruhe vor dem Sturm wurde von Linksaußen Daniel meisterhaft durchbrochen, der einen kurzen Gang in den sanitären Bereich während der Vorbesprechung mit einem „Blaue Wand, bla bla, ihr erzählt ja eh immer das Gleiche“ kommentierte.
Auf die Platte kam der VfL mit dem Fokus und dem Willen, von Beginn an zu zeigen, dass man mit der Heimmannschaft in jeder Facette eines Handballspiels mithalten kann. Trotz aller Konzentration zeigte sich bereits in den ersten Spielminuten deutlich der Charakter des Spiels. Der VfL begann in einem bärenstarken Deckungsverbund von der ersten Spielsekunde an, die blaue Wand Stein um Stein aufzubauen. Mit Mittelmann Alex als Spitze einer beweglichen und zupackenden 5:1-Deckung konnte der Gastgeber aus Riemke gegen die VfL-Deckung nicht sein gewohnt druckvolles Angriffsspiel aufziehen. Kam doch mal ein Ball durch das engmaschige Abwehrbollwerk, hatte sich Torwart Dennis bereits sehr früh seiner wahren Berufung als Zimmermann entsonnen und die Kiste sehr konsequent zugenagelt. Siebenmeter, Gegenstöße, Rückraumwürfe – fast alles wurde Beute des Bochumer Schlussmannes. Da die Stärke der Auswärtsmannschaft fatalerweise durch ordentliche Startschwierigkeiten in der Offensive gemindert wurde, stand es nach 16 gespielten Minuten erst 3:3. Durch die erste Zwei-Minuten-Strafe gegen den VfL konnte sich Riemke auf 5:3 absetzen. Bis zum 7:5 konnte Teutonia den Vorsprung halten, sich die stetig stärker und cleverer werdenden Gäste aber nicht dauerhaft vom Hals halten. Über 7:7 und 8:8 konnte Bochum zur Pause mit 8:9 in Führung gehen.
In der Kabine wurde angemerkt, dass – so gut die Deckung auch stand – im Angriff gerade Bewegung ohne Ball gegen eine offensive Deckung von Riemke den Sieg bringen würde. Unabhängig von jeglichen taktischen Maßnahmen war aber jedem klar: Dieses Spiel gewinnt die Mannschaft, die puren, unzähmbaren Willen zum Sieg zeigt. Und selbst bei handballerischen Fehlern konnte man der Truppe von Trainer Fischer in den letzten Jahren nur sehr selten einen Mangel an Willen und Moral vorwerfen.
Nach dem Pausentee bekam Bochum die Änderungen der Halbzeitansprache schnell und präzise auf den Hallenboden gezaubert, setzte sich auch mithilfe eines gehaltenen Siebenmeters mit 9:12 ab. Dann aber wurden andere Dinge wieder wichtiger als Handball. Der VfL beschäftigte sich mit Spielpech und etwas unglücklichen Entscheidungen der Schiedsrichter, anstatt den Fokus auf das Spiel zu richten. Riemke nahm die Einladung dankend an und drehte die Partie mit einem 4:0-Lauf auf 13:12. Wo in den letzten Spielen manchmal der Bruch im Spiel der Gäste kam, konnte sich das Team auch durch schlaue Wechsel wieder berappeln. In den letzten zwanzig Spielminuten ließ die oft besungene blaue Wand des VfL lediglich zwei Tore zu, war im Angriff spielfreudig und laufstark und zog Tor um Tor davon. Entscheidende Ballgewinne und konsequent abgeschlossene Gegenstöße in den letzten Minuten machten aus dem 15:16 im Endstand ein auch in der Höhe verdientes 15:21.
Ein Spiel, welches wunderbar zeigt, was genau den großartigsten Sport der Welt so großartig macht. Denn Handball ist mehr als die Fackel des Halblinken in den Knick, mehr als die Pappe am Ball, mehr als der gefühlvolle Dreher von Außen. Ãœber die Aktionen auf dem Feld hinaus kondensiert sich der Handball in den Spielen, in dem oft nur Kleinigkeiten den Unterschied ausmachen, in dem aus einer Summe von Einzelkämpfern das Team herausragt. Der VfL hat in seinem wahrscheinlich besten Saisonspiel gezeigt, dass Fokus und Moral aus einer mannschaftlichen Geschlossenheit heraus solche Spiele entscheiden. Getragen von der Bank, die in jeder Spielsituation dabei war und die Spieler angepeitscht hat konnte Bochum die wenigen Scharten vom Spielbeginn eigenständig ausmerzen und am Ende getragen von einer sensationellen Torwartleistung den Stadtrivalen bei nur 15 Toren halten und damit in der Tabelle überholen. Aus einer bärenstarken Mannschaft ragt Torwartgigant Dennis als Spieler des Spiels heraus. Bochum ist damit in der ersten Kreisklasse zumindest bis zur Rückrunde wieder Blau-Weiß. Das ist – nebenbei bemerkt – offensichtlich auch die richtige Trikotfarbe für den Genuss von Kaltgetränken aus dem Hause Moritz Fiege. Die Seniorenmannschaften der Bochumer Handballer fahren mit vier Siegen an diesem Wochenende 8:0 Punkte ein (die Damen sogar auch gegen Riemke) und beschenken sich zum zweiten Advent selbst. Für den VfL geht es nächstes Wochenende gegen Herne um die letzten Punkte des Kalenderjahres 2019. Ort und Zeit folgen, sobald bekannt. Wie so oft gilt die Einladung auf ein Pilsken und ne Currywurst für alle Handballinteressierten. Langweilig wird’s sicher nicht.
Für den VfL die blaue Wand gemauert haben: Dennis Kocian (TW), David Peters (TW), Patrick Bräuter (1), Moritz Wetzel (4/3), Niklas Willrodt (1), Alex Cousen (3), Jannik Kocian (1), Tim Schwiete, Daniel Verhoeven (4), Leo Hadram (4), Julius Kirschner (3).